
Es ist ein schwarzer Herbst für das deutsche Bäckereihandwerk.
Fast täglich sehen sich in ganz Deutschland Bäckereien, Konditoreien und Backstuben in der Not ihre Türen zu schließen. In einigen deutschen Städten gibt es schon jetzt keine Bäckerei mehr, Menschen müssen für ihr Brot teilweise einige Kilometer in die Umgebung fahren. Deutschland droht der Bäcker-Kollaps. Allein in den vergangenen sieben Tagen mussten 21 Bäckereien ihre Türen schließen, alle nennen denselben Grund: Die extrem gestiegenen Energiekosten.
Geht der Trend so weiter dann werden es am Ende des Herbstes bald Hunderte Bäckereien und Konditoren sein die unfreiwillig und plötzlich ihre Existenz verlieren. Mit dem Sterben der Bäckereien stirbt das traditionsreichste und bekannteste Handwerk Deutschlands, mit jeder einzelnen Bäckerei geht ein Teil dieses Kulturgutes verloren- Deutschland sägt am Ast seiner eigenen Kultur und an seiner Grundversorgung.“
„Mir blutet das Herz“ sagt der 41-jährige Bäckermeister Andreas Rother aus Winterhausen bei Würzburg. Er ist einer von so vielen Bäckern die ihren geliebten Beruf jetzt niederlegen müssen. Eine eigene Bäckerei zu führen sei immer sein Traum gewesen, sagt Rother. Doch die steigende Kosten für Strom, Gas und Rohstoffe würden ihn jetzt zur Aufgabe dieses Traumes zwingen.Schon die sich fast verdoppelten Rohstoffpreise sind für seine Backstube BeIastung genug. Doch die enorm gestiegenen Kosten für Gas und Strom übertreffen alles, berichtet Rother gegenüber dem Bayrischen Rundfunk.
Gasabschlag: 750 Euro vor einem Jahr, inzwischen bei 1.200 Euro. Am kräftigsten habe ihn aber die erhöhten Stromkosten getroffen: 2.300 Euro zahlt er jetzt im Monat. 8 Euro müsste Rother für ein Kilo Brot verlangen, schätzt er.Für seine Bäckerei sind diese Preise nicht mehr tragbar. „Ich fange an psychisch zu leiden, körperlich zu leiden“, sagt Rother. Zu Dezember schließt Rother seine Bäckerei.Damit verschwindet der letzte Bäcker aus Winterhausen. Die Gemeinde mit 1500 Einwohnern hat dann keine selbstbackenden Bäcker mehr. Ein herber Verlust für die bayrische Gemeinde.Aktuell kämpft man deswegen noch um seinen letzten Bäcker. Am Wochenende fand im Ort sogar eine Benefizaktion für die Bäckerei statt.
Mehr als 200 Personen kamen zu dem Straßenfest. Andreas Rother und seine Mitarbeiter verkauften Kuchen und Getränke. Rund 3.000 Euro kamen dabei zusammen, eine Summe die seine Bäckerei zwar nicht retten wird, dennoch hilft. „Ich war sprachlos“, sagt Rother.Es sind viele solcher Geschichte die es nicht über die Lokalzeitung hinaus schaffen aber die Menschen vor Ort treffen, berühren und ihr Vertrauen in Politik und Staat schrumpfen lassen.So auch in der baden-württembergischen Stadt Fellbach. Dort schließt die Bäckerei Saur ihre Türen und damit wieder eine Traditionsbäckerei in der 40.000 Einwohnerstadt Fellbach.
Seit 1967 backte die Familie Saur in der Schmerstraße in Fellbach, seit 2001 der aktuelle Bäckermeister Christoph Saur. Der Verlust wiegt auch hier schwer, die Bäckerei war für viele ein Treffpunkt, eine Institution.„Ich komme hierher, seit ich laufen kann“, sagt Siegfried Volzer. Seit seiner Kindheit war die Bäckerei in der Schmerstraße, seine Adresse für Brötchen und andere backwaren, sagt er den Stuttgarter Nachrichten. „Nun verschwindet wieder eine Institution, die Fellbach ausmacht“, sagt Volzer.
Die Bäckerei Saur ist die letzte ihrer Art in Fellbach. In der Schmerstraße, der früheren Einkaufsstraße von Fellbach, habe es in den Glanzzeiten rund fünf Bäckereien gegeben. Seine ist die letzte die aus dieser Ära übrig geblieben ist.Auch die Gemeinde Eichelhardt aus dem Rheinland hatte eine solche legendäre Bäckerei. Die Bäckerei Schumacher versorgte dort 111 Jahre lang die kleine Gemeinde mit Brot und leckeren Backwaren. 111 Jahre die ihr Ende jetzt in der Energiekrise finden.
„Es ist ein herber Verlust“ erzählt uns ein Anwohner, der den Bäcker sehr gut kannte im Gespräch. Über 60 Jahre lang kaufte er jede morgen bei der Bäckerei ein – er erlebte drei Generationen des Familienunternehmens als Kunde. Selbst seine Großeltern waren schon Kunden der Dorfbäckerei.
Mit dem Verlust der Bäckerei Schumacher verliert Eichelhardt ihren einzigen Bäcker. Um überhaupt an Brot zu kommen, müssen die Dorfbewohner jetzt 3,8 Kilometer weit fahren. Für Menschen ohne Auto eine echte Belastung. Man ist irritiert, ein Anwohner sagte im Gespräch ein Satz der die Absurdität der Krise treffend zusammenfasst: „Früher hat eine Kollegin mir noch gesagt ich werde Bäcker, das ist krisenfest, Brot essen die Menschen immer – das ist jetzt scheinbar nicht mehr so.“