Eine große Fabrik des Felgenherstellers „Borbet“ im nordrhein-westfälischen Solingen ist insolvent. Pleiteticker.de spricht mit einem Mitarbeiter des schließenden Unternehmens. Die traurige Bilanz: Viele stehen jetzt vor der Arbeitslosigkeit – für manche gibt es wenig Hoffnung auf einen neuen Job.
„Bei der Betriebsratsversammlung war Totenstille, wie auf einem Begräbnis.“ Das sagt Dragan Mitrovic. Der 59-jährige Werkzeugmacher arbeitete 19 Jahre für die Reifenfabrik von Borbet in Solingen. Im Interview schaut er zurück – und auf die jetzige Insolvenz. Für ihn kommt die Schließung nicht überraschend. Schon seit mehr als einem Jahr würde unter den Arbeitskollegen darüber gesprochen. Im Dezember 2021 beantragte das Unternehmen ein Schutzschirmverfahren, am 1. März wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet.
In der Vergangenheit forderte Borbet bereits massive Einsparungen: Von Mitarbeitern, die in einer wechselnden Schicht („Contischicht“ genannt) gearbeitet haben, hätte die Firma 25 Prozent des Bruttolohns abziehen wollen. „Es geht meistens nur um Geld“, so Mitrovic. „Meine Meinung ist, dass es nicht an Aufträgen liegt, sondern es liegt an den Lohnkosten.“ Die geplante Sanierung des Unternehmens sollte den Abbau von 188 Stellen beinhalten, durchgeführt entweder durch Borbet oder einen Investor. Nun schließt das Werk. „Aufgrund der sich in Folge des Ukraine-Krieges nochmals stark eintrübenden wirtschaftlichen Situation, der stark steigenden Rohstoff- und Energiepreise und der zu verzeichnenden Absatzrückgänge in der Automobilzuliefererindustrie konnten die zwingenden Voraussetzungen für einen Erhalt nicht erfüllt werden“, heißt es von der Geschäftsführung. Der IG-Metall-Mann Cemal Cetins berichtet dem Solinger Tageblatt von weiteren möglichen Ursachen für die Pleite. So würden Autohersteller vermehrt die günstigsten Zulieferer wählen. Auch die Produktionskosten seien in Solingen insgesamt höher.
Mitrovic kennt die Situation der Mitarbeiter. „Eine Lehre haben 400-450 von den 600 bestimmt nicht. Davon haben bestimmt 100-150 eine Sprachbarriere. Für die wird es wirklich sehr, sehr schwer.“, meint er mit heraushörbarem Mitgefühl. Viele der Mitarbeiter – „bestimmt 70 Prozent“ – seien Türken oder türkischer Herkunft. Für sich selbst ist er verhalten optimistisch. „Ich bin 59, ich werde das irgendwie schaukeln.“ Denn er habe nur wenige Jahre bis zur Rente. Er erzählt aber auch von der Betriebsversammlung: „Es gibt so viele junge Leute, die 2-3 Kinder haben – gestern hab ich Gesichter von den Leuten gesehen, das war echt der Hammer.“
Der Betrieb soll ab Mitte Dezember ruhen. Wenn die Produktion bis dahin den Vorgaben entsprechend weiterläuft, gibt es eine Leistungsprämie von 1.400 Euro pro Kopf. Das Unternehmen bietet den Mitarbeitern jetzt an, 6 Monate von einer Transfergesellschaft weiterbezahlt zu werden. Dort sollen sie 80 Prozent ihres letzten Gehaltes bekommen. Bis zum 16. Dezember haben sie Zeit, sich zu entscheiden. Für Dragan Mitrovic kein Grund zum Feiern: Er habe von Kollegen gehört, die in solch einer Transfergesellschaft waren – und dann beim Arbeitsamt landeten. „Wir haben gut verdient“, keine freien Wochenenden habe er gehabt. Trotzdem: „Einfach ist es nicht. Man überlegt, wie man das alles schaukeln soll.“