
Von Julius Böhm und Ralf Schuler
Papst Benedikt XVI. wird am Donnerstag in Rom beigesetzt – die wichtigsten Vertreter des deutschen Staates gewähren dem ersten deutschen Papst seit Jahrhunderten das letzte Geleit: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundestags-Präsidentin Bärbel Bas und Bundesrats-Präsident Peter Tschentscher (alle SPD) sind nach Rom gereist.
Brisant: alle mit ein und demselben Flugzeug!
„Das ist verfassungsrechtlich problematisch“, sagt Verfassungsrechtler Prof. Josef Franz Lindner (Universität Augsburg) zu Pleiteticker.de und erklärt: „Die Verfassungsorgane haben die (ungeschriebene) Pflicht, die Funktionsfähigkeit des Staates nicht zu gefährden und dabei auch Worst-Case-Szenarien zu vermeiden.“
Durch ein Unglück oder ein Attentat könne die Funktionsfähigkeit des Staates von einer auf die andere Sekunde nicht mehr gegeben sein. Lindner: „Gerade in einer wirtschaftlich und politisch angespannten Zeit wie heute ist das fahrlässig.“
Eine konkrete rechtliche Regelung – wie etwa in den USA – gibt es nicht, sagt der renommierte Staatsrechtler und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (85, CDU). „In der Praxis lässt man da meist eine gewisse Vorsicht walten, aber rechtlich geregelt ist das in Deutschland, anders als in anderen Ländern, nicht. Man könnte es auch als eine Art sparsamen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler interpretieren.“
Fest steht: Im schlimmsten aller Fälle, also bei einem Absturz ohne Überlebende, würde protokollarisch der Präsident des fünften Verfassungsorganes, der Chef des Verfassungsgerichts Stephan Harbarth, als Staatsoberhaupt nachrücken, erklärt Scholz – Prof. Lindner gibt zu bedenken: Deutschland würde aber trotzdem nicht mehr regiert.
Stirbt der Bundeskanzler, endet seine Amtszeit und damit auch die seines Stellvertreters. Das ist in Artikel 69 Absatz zwei des Grundgesetzes geregelt, wonach „das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers“ endet, wie Prof. Lindner erklärt.
Was also dann?
Der schnelle Weg: Damit ein Bundeskanzler vom Bundestag gewählt werden kann, muss er von einem Bundespräsidenten vorgeschlagen werden. Da der Bundesrats-Präsident der Stellvertreter des Bundespräsidenten ist, könnte der Bundesrat schnell zusammenkommen, einen neuen Präsidenten aka. Stellvertreter des Bundespräsidenten wählen und damit die Wahl eines neuen Bundeskanzlers ermöglichen – jedoch ist in der Literatur nicht ganz unumstritten, ob die Stellvertreter-Rechte des Bundesrats-Präsidenten dafür ausreichen.
Der langwierige Weg: Um einen neuen Bundeskanzler wählen zu können, müsste zuallererst ein neuer Bundestags-Präsident durch den Bundestag gewählt werden. Nur dieser kann die Bundesversammlung einberufen, die einen neuen Bundespräsidenten wählt. Erst dann könnte das neugewählte Staatsoberhaupt einen neuen Bundeskanzler vorschlagen, der durch den Bundestag gewählt werden müsste und dann erst eine neue Regierung berufen könnte.
Ein Konjunktiv-Gewitter, das mit mehr Vorsicht der Vertreter unserer Verfassungsorgane gar nicht durchgegangen werden müsste…