Nach dem WM-Halbfinal-Spiel, das Marokko 2:0 gegen Frankreich verlor, kam es in zahlreichen europäischen Ländern zu Randale und teils schweren Ausschreitungen. Im französischen Montpellier wurde ein 14-Jähriger bei einem Zusammenstoß von einem Auto erfasst und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. In Brüssel kam es zu 100 Festnahmen.
In der französischen Hauptstadt blieb es dank der zahlreichen Polizisten weitgehend ruhig – die befürchteten Randale- und Verwüstungs-Szenen, wie es sie nach den bisherigen Marokko-Spielen gab, blieben aus. Unser Reporter Julius Böhm war live vor Ort und berichtete vom Geschehen.
Zuvor in Paris: Vor dem WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko erwartete die französische Hauptstadt Ausschreitungen – egal, wie das Spiel ausgeht. Die Polizei hatte ihr Aufgebot gegenüber dem letzten Spiel Marokkos, als es zu Strassenkämpfen zwischen Einsatzkräften und Fußball-Fans und zu mehr als 100 Festnahmen kam, verdoppelt: Alleine in Paris waren mehr als 2200 Beamte im Einsatz. Seit dem Vormittag waren Dutzende Mannschaftswagen an der weltbekannten Avenue des Champs-Élysées unterwegs, um Präsenz zu bereiten.

Mehr noch: Am Abend wurde die Metro an der Touristenmeile geschlossen, bekannte Geschäfte wie Hugo Boss, Dior oder Bulgari verbarrikadierten ihre Schaufenster mit Holz- und Metallplatten – als würde ein Bürgerkrieg ausbrechen.


Fußball-Fans waren rund um den Arc de Triomphe auch am Nachmittag kaum zu sehen – dafür bereiteten sich Ladenbesitzer auf das Fußballspiel vor. Aziz Alparslan betreibt in einer Seitenstraße der Champs-Élysées ein Restaurant: „Heute Abend kommen sie wieder und machen Probleme – französische Fans auch, aber vor allem junge Araber – ich schließe mein Geschäft, dann habe ich keinen Ärger.“ Er sagte, dass es nicht nur die Marokko-Fans sind, die für Ärger sorgten, auch Algerier würden ins Stadtzentrum kommen und randalieren – dabei war Algerien seit 2014 gar nicht mehr für die WM qualifiziert und schied damals im Viertelfinale aus, gegen den späteren Weltmeister. Doch es scheint so, also würde Nordafrika zusammenhalten und voller Stolz Marokko als erstes afrikanisches Team in einem WM-Halbfinale unterstützen. Und das, obwohl Marokko und Algerien 2021 die diplomatischen Beziehungen zueinander beendet haben. Rabah Djerrah ist Algerier, lebt seit 20 Jahren in Frankreich und hat eine Crêperie an der Champs-Élysées. Er erwartet, dass am Abend – wie bei den anderen Marokko-Spielen auch – die ganze Straße voller Menschen sein werde: „Es ist so schade. 100 Fans feiern friedlich und 10 machen mit ihrer Gewalt alles kaputt.“
Samir Patels Kiosk wurde schon 2018 von Fußballfans demoliert, als Frankreich Weltmeister wurde. Es ist nur wenige Meter vom Triumph-Bogen entfernt, wo am Abend die meisten Fans -und Radalierer – erwartet werden.


Auch er machte noch vor dem Anpfiff die Schotten dicht: „Es könnte wild werden“, sagte der gebürtige Inder, der seit 20 Jahren in Frankreich lebt. „Ich glaube Frankreich gewinnt“, sagte er, „was ich weiß, dass viele Leute herkommen werden, um zu feiern – und einige davon wollen zerstören und klauen. „Es seien bei weitem nicht alle Marokko-Fans so, betont er – nur ein kleiner Teil. „Aber sie wollen die Situation ausnutzen und ihre Dominanz zeigen. Sie kommen aus den Vorstädten, es liegt daran, welche Erziehung und welche Bildung man genossen hat“, vermutet er. Patel jedenfalls will kein Risiko eingehen und schließt zum Anpfiff sein Zeitungs- und Souvenier-Geschäft. Er wird erst morgen erfahren, ob die vielen Polizisten die Situation unter Kontrollen hatten.