Die Bundesregierung habe den „Anspruch, nicht Kriegspartei werden zu wollen“, sagt Pistorius bei Anne Will. Weniger als 10 Minuten später behauptet SPD-Chef Klingbeil, es gäbe keine roten Linien in der Unterstützung der Ukraine.

Dass sich Spitzenpolitiker der gleichen Partei, zumal in der Regierung, offen widersprechen, passiert nicht oft. Wenn dies innerhalb von wenigen Minuten im Fernsehen geschieht, ist das doppelt bemerkenswert. Doch genau das ist der SPD bei „Anne Will“ passiert.
Am Sonntag ist der neue SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius im ARD-Sonntagstalk aus Paris zugeschaltet. Er tritt bewusst staatsmännisch und selbstsicher auf, doch bei Anne Will sieht sich der 62-Jährige einem Fragen- und Vorwürfehagel ausgesetzt. Schnell geht er dabei in eine Verschleierungstaktik über, wie es seine ganze Partei seit der Panzer-Entscheidung tut. Auf die ständige Frage, warum man die Ukraine jetzt nicht mit Panzern beliefere, antwortet Pistorius, es sei Anspruch der Bundesregierung, nicht Kriegspartei zu werden. So weit, so gut.
Doch es dauert gerade einmal 10 Minuten, bis ausgerechnet der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil Pistorius‘ Ausführungen unterhöhlt. Klingbeil zufolge gibt es für die Sozialdemokraten keine roten Linien in der Unterstützung der Ukraine. Es ist ein Offenbarungseid einer Partei, die händeringend versucht, ihre Leoparden-Entscheidung einerseits zu erklären und andererseits das Bild der pazifistischen SPD aufrechtzuerhalten – sich am Ende aber in Widerspruch verliert.
Jedem wird klar: Kanzler Olaf Scholz will den Kampfpanzer Leopard nicht in die Ukraine liefern – aber das nicht zugeben.
Verhüllungsversuche scheitern kläglich
Dass man in Scholz‘ Ausführungen vergebliche inhaltliche Konsistenz sucht, scheint auch auch auf den neuen Verteidigungsminister abzufärben. Floskel um Floskel liefert Boris Pistorius bei Anne Will. So sehr er mit seinen Militär-Fachbegriffen versucht als Fachmann zu glänzen, so absurd ist doch sein Auftritt in der ARD-Talkshow insgesamt. Die Entscheidung, Panzer zu liefern, könne man nicht einfach so treffen, sagt Pistorius. Man müsse im deutschen und europäischen Interesse „behutsam und abgewogen“ entscheiden, nicht „übereilt oder leichtfertig“. Der „Entscheidungsprozess“ laufe, „den werden wir jetzt abwarten müssen“, so Pistorius.
Am Ende der Floskel-Aneinanderreihung steht dann aber doch noch ein Statement: Man müsse der Verantwortung, die eine Bundesregierung hat, gerecht werden, sagt Pistorius: „Es ist eine Frage der Sicherheit, der eigenen Bevölkerung und dem Anspruch nicht Kriegspartei werden zu wollen.“
Am Ende der Talkshow steht eine sich widersprüchlich äußernde Partei: Die SPD verheddert sich in ihren Aussagen und enttarnt sich dadurch selbst. Es sei SPD-Verantwortung, keine Kriegspartei zu werden, indem man die Ukraine mit Panzern unterstützt – gleichzeitig gäbe es aber keine roten Linien in der Unterstützung der Ukraine.
Dass das nicht zusammenpasst, ist jedem offensichtlich. Und dass der Ausredenkatalog immer enger wird, auch.