
Pleiteticker-Kommentar
Von Max Mannhart
Es ist offiziell: Die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin muss wiederholt werden. Das bestätigte der Verfassungsgerichtshof am Mittwochmorgen. Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein einmaliger Vorgang: Alle Berliner sind aufgerufen ihre Stimme ein zweites mal abzugeben.
Über ein Jahr lang sträubte man sich mit allen Mitteln gegen diese unausweichliche Wahlwiederholung. „Ich denke nicht, dass wir zu einer kompletten Neuauflage dieser Wahl kommen werden“, sagte Berlins aktuell amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Ihr Amtsvorgänger Michael Müller erklärte, die Vorfälle seien nicht wahlverfälschend oder mandatsrelevant – was schlichtweg falsch war. Und auch der verantwortliche Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: „Ich gehe nicht von einer Wahlwiederholung aus“.
Erst eine Recherche des Teams des Jugendmagazins Apollo News für das Magazin Tichys Einblick brachte den Stein ins Rollen. Viele der Autoren schreiben heute für den Pleiteticker, auch der Autor dieses Textes.
Wir durchforsteten 40.000 Seiten Aktenmaterial zu den Wahlen und zeigten nicht nur das Ausmaß der Pannen, sondern bewiesen auch, dass die Fehler sehr wohl mandatsrelevant waren – wir zeigten, wie getrickst und manipuliert wurde, um genau diese Wiederholung zu verhindern.
1.900 eigentlich ungültige Stimmen (Stimmen auf falschen Wahlzetteln) hat man auf Anordnung der Landeswahlleitung so beispielsweise einfach verschwinden lassen. Hintergrund war – wie von TE gezeigt wurde – ein angeblicher Rechenfehler, in jedem Fall war dieser Vorgang unzulässig.
Es ist das eine, dass die Landesregierung in Berlin die Wahl vergeigt hat – und alle Warnungen in den Wind schlug. Es ist schlimmer, dass die Regierung statt aufzuklären, vertuscht hat. Und so statt einer klaren, schnellen und sauberen Wiederholung, einen elend langen Gerichtskrieg durchgezogen hat.
Und dass mit desaströsen Folgen für die Demokratie: Jedes Gesetz und jede Maßnahme, die durch dieses Abgeordnetenhaus und diesen Senat beschlossen wurden, sind eigentlich illegitim – vom Berliner 29-Euro-Ticket bis zur Besetzung diverser Gremien. Selbst die Wahl des Bundespräsidenten könnte man in Zweifel ziehen, da die von Berliner Mitgliedern der Bundesversammlung nun als genauso illegitim angesehen werden könnten wie das Parlament, das sie bestellte.
All das wäre nicht passiert, hätte der Berliner Senat nicht versucht die Vorgänge zu verschleiern.
Im Ergebnis ist die Wiederholung ein Sieg für die Demokratie. Aber die Bilanz ist verheerend: Sie zeigt die Gleichgültigkeit mit der Rot und Grün in Berlin auf die fundamentalen Wahlgrundsätze blicken. Die Gleichgültigkeit, mit der der damalige regierende Bürgermeister Michale Müller auf die Tatsache blickte, dass zahlreiche wahlberechtigte Bürger ihre Stimme nicht abgeben konnten wird so schnell nicht vergessen werden.
Der Verfassungsschutz hat eine neue Kategorige eingeführt: „Delegitimierung“ von Staat und Demokratie. Doch wenige haben Staat und Demokratie im Ergebnis in letzter Zeit mehr deligiimiert als der Rot-Grüne Berliner Senat.