Trotz eines historischen Wahlergebnisses dürfte in Berlin alles bleiben, wie es ist. Eines ist jedoch klar: Rot-Rot-Grün hat seine gesellschaftliche Mehrheit in Berlin verloren.

Berlin hat gewählt – schon wieder. Und diesmal auch ohne größere Pannen! Das allein ist schon fast eine Sensation. Doch trotz eines historischen Wahlergebnisses dürfte in der Hauptstadt alles so bleiben, wie es ist.
Aber der Reihe nach. Die CDU feiert zunächst mal einen historischen Triumph, der doch zum Pyrrhussieg zu werden droht. Aber immerhin: Zum ersten Mal seit über 20 Jahren dominiert die Union das Abgeordnetenhaus als stärkste Kraft.
Das zeichnete sich zwar ab, ist aber trotzdem eine kleine Überraschung. Denn die Wahrheit ist: Kai Wegner ist kein inspirierender Kandidat. War er auch nie. Aber die Menschen haben die Nase voll von Rot-Rot-Grün. Im notorisch linken Berlin wird das Kreuz bei den Christdemokraten da zur Protestwahl. Wegner punktete mit klassischen CDU-Themen: Innere Sicherheit, Wirtschaft, Migration. Und: Klartext. Klartext über den Zustand der Hauptstadt, Klartext über die Probleme in Berlin. Daran ändern auch die Angriffe seiner Gegner nichts. Die Abfrage der Vornamen der Silvester-Gewalttäter beispielsweise, von Medien und Politik als „Rassismus“ verschrien, dürfte von den Berlinern eher als korrekte Problemanalyse verstanden worden sein.
Die FDP hingegen macht sich überflüssig. Während Wegner siegt, verlieren die Liberalen und fliegen sogar aus dem Abgeordnetenhaus. Dass die FDP von der Wechselstimmung, die die CDU auf einen historischen Platz 1 getragen hat, nicht profitieren konnte, dürfte vor allem an ihrer Politik im „anderen Berlin“, an der Bundespolitik liegen. Ganz einfach: Eine FDP, die mit Rot-Grün paktiert, wird von den Wählern nicht mehr als Alternative zu Rot-Grün wahrgenommen. Wer den Wechsel in Berlin wählen wollte, wählte nicht FDP – das hat nicht Sebastian Czaja, sondern vor allem Christian Lindner zu verantworten.
Auf der anderen Seite stehen die großen Verlierer des Wahlabends: Die amtierende Koalition, angefangen bei ihrer Regierenden Bürgermeisterin und ihrer Partei, der SPD. Eine SPD, die unter Giffey einen Mitte-Kurs vorgibt – nur, um dann wieder mit Grünen und Linken zu koalieren. Diese SPD kann viele Wähler nicht halten. 52.000 Stimmen wanderten beispielsweise von den Sozialdemokraten zur CDU. Es dürften 52.000 Berliner sein, die 2021 eine bürgerlich-mittig auftretende Giffey gewählt hatten – und als Lohn eine Koalition mit radikalen Grünen und radikalen Linken bekamen. Das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Landespartei ist eine Klatsche für Giffey, eine Klatsche für die Koalition.
Immerhin Glück im Unglück: Mit 105 Stimmen Vorsprung zu den Grünen sicherten sich die Sozialdemokraten knapp Platz 2 in Berlin. Damit sinken die Chancen für eine „große Koalition“ mit der CDU gewaltig – Beobachter gingen davon aus, dass die SPD bei einem dritten Platz diese Machtoption ziehen könnte. Stattdessen wird Giffey wohl die Koalition der Wahlverlierer bilden. Zwei Drittel der Berliner sind unzufrieden mit Rot-Rot-Grün – und dürften doch die Fortsetzung des Regierungsbündnisses erleben. Rot-Rot-Grün hat zwar eine parlamentarische, aber keine gesellschaftliche Mehrheit mehr in Berlin.