
Pleiteticker-Kommentar von Larissa Fußer
Millionenvermögen, Adelstitel, Traumvillen – es gibt kaum einen privilegierteren 38-Jährigen als Prinz Harry. Trotzdem stilisiert er sich öffentlichkeitswirksam seit Monaten als Opfer des britischen Königshauses. Der Woke-Wahn macht auch vor den Windsors nicht halt.
Nehmen wir uns alle eine Minute, um der Leiden eines junges Mannes zu gedenken, der – während wir unseren Alltag leben, arbeiten, einkaufen und uns über unseren Steuerbescheid ärgern – mit einem unfassbaren, herzzerreißenden Schicksal zu kämpfen hat. Der unglückliche Prinz lebt in unmenschlichen Verhältnissen, seit er sich vor ein paar Jahren aus den Greifarmen seiner kaltherzigen, rassistischen Familie zurückgezogen hat: Lediglich 36 Millionen Euro hat er noch Vermögen, der Großteil stammt aus dem Erbe seiner Mutter. In einer ungemütlichen 14 Millionen Euro Villa mit fünf Hektar Land, neun Schlafzimmern, Rosengärten, einem Tennisplatz, einer Bibliothek, einem Pool, einem Kino und einem Spielplatz, muss der Geschundene auf engstem Raum mit Frau und Kind leben. Ständig komme man sich laut Aussagen des Prinzen in die Quere, ein Umzug in ein größeres Anwesen in der Nachbarschaft von Snoop Dogg sei schon angedacht.
Blutet Ihr Herz schon vor Mitgefühl? Dann machen Sie sich lieber einen Baldrian Tee, denn – nennen wir nun andächtig seinen Namen – Prinz Harry hat noch mit ganz anderen Bürden zu kämpfen. Und weil sich bisher (noch!) keine Jünger versammelt haben, um seine großmütigen Opfer und Wunder für die Nachwelt niederzuschreiben, hat er sich die Mühe gemacht, sie sowohl (für knauserige 94 Millionen) in einer Netflix-Doku, als auch in seiner Autobiographie „Spare“, die am morgigen Dienstag offiziell erscheint, zu erzählen. Doch keine Sorge, auch wenn Sie genauso wenig Geld haben wie Harry und sich das Buch nicht leisten können, werden Sie die pikanten Details, ich meine schmachvollen Leiden, des jungen Windsors erfahren. Ich warne aber nochmal, lesen Sie die folgenden Zeilen lieber in Ihrem Safe Space – denn sie sind nichts für schwache Nerven und mitfühlende Seelen.
Also gut, tief durchatmen, los gehts. Harry soll von seiner Familie bedrängt worden sein, seinen Bart zu rasieren. Ja, wirklich, an seiner Hochzeit! Wie Harry in einem Interview mit ITV schildert, habe sein Bruder William ihm doch tatsächlich gesagt, dass er, wenn er seine Militär-Uniform tragen wolle, wie jeder andere Soldat seinen Bart rasieren müsse. Dabei habe Harry seinem Bruder ganz klar gesagt: Der Bart sei für ihn „ein Schild gegen seine Angstzustände“ (Original: „a shield to my anxiety“). Wie toxisch maskulin muss man sein, um Harry dieses Schutzes zu berauben?
Es ist nicht das erste Mal, dass sein Bruder William als herzloser Kerl aufgefallen ist. Wie Harry im CBS erzählt, habe William bereits im Kindesalter seine Abneigung gegen seinen kleinen Bruder in brutaler Weise zum Ausdruck gebracht. Sie seien, so schildert Harry, damals auf dieselbe Schule gegangen – und William habe von ihm gefordert, „so zu tun, als würden sie sich nicht kennen“. Kann ein großer Bruder unmenschlicher sein? Führt nicht jedes große Geschwisterkind bereitwillig seinen kleinen Bruder durch die Schule, teilt seinen Lunch und stellt ihn jedem seiner Freunde vor, ja sogar dem Schwarm aus der Parallelklasse? Wieso hat William Harry dieses urgeschwisterliche Recht verwehrt? Doch es kommt noch schlimmer: In einem Streit um Harrys Frau Meghan sei William, laut seinem Bruder, so wütend geworden, dass er Harry gestoßen habe – so brutal, dass er auf einen Hundefressnapf gefallen sei, der tiefe Wunden in seinem Rücken gefressen habe.
Was William und viele andere Harry-Hater einfach nicht verstehen: Der Herzog von Sussex ist ein Abbild der Empfindsamkeit und ein Vorbild für alle modernen Männer – oder Wesen, die sich als solche fühlen. Deswegen spricht er in „Spare“ nicht nur offen über sein erstes Mal, sondern auch darüber, dass er die Hochzeit seines Bruders mit einem durch Erfrierungen geplagten Penis (Original: „frostbitten penis“) überstehen musste. Die schmerzhaften Unterkühlungen habe sich der Prinz kurz vorher bei einer Nordpol-Expedition geholt. Bei Williams und Kates Hochzeit habe er immer noch gelitten: „Ich war noch dabei, mich zu erholen. Ich war mit meinem Bruder in der Westminster Abbey und konnte ihn nicht spüren“, schildert Harry die Situation.
Natürlich spricht Harry in diversen Interviews auch über den Tod seiner Mutter Diana. CBS erzählt er, dass er eine Psychotherapie gemacht habe, um den frühen Tod seiner Mutter zu verarbeiten. „Da war dieser Druck auf meiner Brust über viele Jahre – und ich war nie in der Lage zu weinen“, erklärt der Prinz. Ständig habe er versucht zu weinen und sich dafür auf dem Sofa Videos seiner Mutter angeguckt. Doch er konnte nicht. Erst psychedelische Drogen haben ihn die Eingebung beschert, dass er nicht weinen müsse, um seiner Mutter zu beweisen, dass er sie vermisse.
Jetzt aber, erzählt Harry im ITV-Interview, hoffe er, dass seine Familie und er sich wieder näher kommen würden. „Ich glaube wirklich und ich hoffe, eine Versöhnung zwischen uns und meiner Familie könnte Auswirkungen auf die ganze Welt haben“ (Original: „a ripple effect around the world“). Vielleicht, sinniert Harry, sei das naiv, aber er glaube fest daran.
Es ist herzerwärmend: Der Heilige Harry zeigt uns allen, dass man auch mit wenig Geld, einem niederen Adelstitel und nur der fünften Stelle der britischen Thronfolge ein erfülltes Leben haben kann. Dass er seine Opfer für die Menschheit so würdevoll für sich behält, zeichnet ihn besonders aus. Also lasst uns die Hände falten, unsere Herzen öffnen und aus vollem Halse rufen: „God save the whimperer!“ Es lebe der weinerliche Windsor! Wenn er schon nicht König von England wird, so ist er zumindest jetzt schon König des woken Opferkults.