
Nach dem Chaos vom September 2021 muss die Wahl in Berlin wiederholt werden. Da wäre es an allen Parteien, konstruktiven Wahlkampf zu führen – mit Ideen, wie man den „failed State“ Berlin wieder nach vorne entwickelt. Doch die Jusos haben andere Pläne.
In sechs Wochen wird in Berlin gewählt – schon wieder. Denn nach dem Chaos vom September 2021 muss die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden. Vor diesem Hintergrund eines in der Bundesrepublik ungekannten Staatsversagens wäre es an allen Parteien, konstruktiven Wahlkampf zu führen – mit Ideen, wie man den „failed State“ Berlin wieder nach vorne entwickelt. Doch die Jusos haben andere Pläne. Die Jugendorganisation der SPD wirbt offensiv mit dem Spruch: „Rechts wählen ist so 1933“.
Es ist das einzige Plakat der SPD-Jugend – mit einem Spruch, der so inhaltsleer wie polemisch ist. „Es ist uns besonders wichtig, klare Kante gegen rechts zu zeigen“, schreiben die Jusos auf ihrem Instagram-Auftritt. Doch eine Inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD oder mit „rechts“ – was auch immer das sein soll – findet nicht statt. Stattdessen schreibt man 1933 in angedeuteter Frakturschrift auf ein Wahlplakat und glaubt voller Stolz, man hätte etwas „gegen Nazis“ getan.
Haben die Jusos die Geschichte ihrer Partei vergessen? Es war vor allem die SPD, die sich bis zuletzt gegen Hitler und die Nationalsozialisten stellte – was viele Genossen mit ihrer Freiheit und dem Leben bezahlten. Parteichef Otto Wels erklärte 1933 im Reichstag in seiner Rede gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen – die Ehre nicht.“ Die Jusos, die mit ihren geschichtsvergessenen Nazi-Vergleichen das Opfer ihrer Genossen von damals mit Füßen treten, müssen weder um Freiheit und Leben fürchten – und beweisen, dass es mit „Ehre“ auch nicht weit her ist. Denn wer würde ernsthaft in Zweifel ziehen, dass es ehrlos ist, den Nationalsozialismus so zu verharmlosen?
Ausgerechnet die SPD-Jugend verharmlost den Nationalsozialismus
Genau das tun die Berliner Jusos mit ihrem absurden Wahlplakat. Wahrscheinlich glauben viele Jusos wirklich, sie würden mit diesem Spruch, der vor allem auf die AfD zielen soll, Nazis bekämpfen. Allein das ist ein schlechtes Zeugnis für den Geschichtsunterricht im Land Berlin. Tatsächlich aber verharmlosen sie die Ideologie des Nationalsozialismus, der Millionen Tote gefordert und zur industriellen Massenvernichtung von Menschen geführt hat. Der angebliche Antifaschismus der Sojalatte-trinkenden, E-Roller fahrenden Studentenschaft enttarnt sich mal wieder als wohlfeil und hohl – weil er Faschismus und Nationalsozialismus weder begreift, noch ernsthaft bekämpft.
Man muss die AfD nicht mögen, um diese dumme Art von Kampagne zu kritisieren. Sie trifft übrigens auch das bürgerliche Lager: Denn der Begriff „rechts“ als politischer Totschläger wird längst auch gegen Union, FDP und alle anderen eingesetzt, die nicht direkt links sind. Erst heute verunglimpft die berliner Juso-Vorsitzende den CDU-Politiker Jens Spahn – er würde seine „bürgerliche Maske fallenlassen“. Der implizite Vorwurf: Auch Jens Spahn ist „rechts“ – und damit 1933. Einem schwulen NS-Nähe vorwerfen? Das wäre angesichts der zehntausenden homosexuellen Männer, die in den Konzentrationslagern der Nazis inhaftiert wurden und starben, infam und geschichtsvergessen – also genau das Kaliber der Jusos Berlin.
Wie traurig, dass Berlins größte politische Jugendorganisation keine Inhalte anzubieten hat: In Berlin gäbe es auch und gerade in den Belangen junger Menschen genug zu tun. Statt ins Abgeordnetenhaus gehören diese Jusos eher ins Klassenzimmer – wir wiederholen nochmal ein Jahr Geschichtsunterricht.