
Speidel Elektrotechnik ist insolvent: Eine 100-jährige Erfolgsgeschichte und 300 Mitarbeiter stehen wegen massiv gestiegener Kosten, Materialengpässen und operativen Schwierigkeiten vor dem Aus.
Damit droht ein weiteres Unternehmen, dass den zweiten Weltkrieg und die Wirtschaftskrise überlebte, an der politikgemachten Energiekrise und Inflation zu zerbrechen.
„Wir lassen unsere Kunden nicht im Stich“ und das seit über 100 Jahren. Erst letztes Jahr feierte das 1921 gegründete Elektrotechnik Unternehmen Speidel aus Göppingen sein dreistelliges Jubiläum – über drei Generationen und die Zerstörungen des zweiten Weltkriegs hinweg, führte die Familie Seidel ihr Unternehmen und die Projekte ihrer Kunden zum Erfolg. Doch nun wurden sie selbst im Stich gelassen – von der Politik. Die Firma Speidel konnte den massiv gestiegenen Kosten, Materialengpässen und „operative[n] Schwierigkeiten bei einigen Großprojekten“ nicht länger trotzen, sie musste Insolvenz anmelden.
Am vergangenen Dienstag hat Speidel das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Göppingen angemeldet und für dessen Durchführung einen Wirtschaftsanwalt und Sanierungsbeauftragten in die Geschäftsleitung geholt. „Der Geschäftsbetrieb wird uneingeschränkt fortgeführt”, so Andrea Welz, die Sprecherin der beauftragten Wirtschaftskanzlei Menold Bezler, gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde ein Investorenprozess eingeleitet – die Firma will überleben und ist derzeit auch zuversichtlich, dass man bald einen Investor finde. Über die Zukunft der rund 300 Arbeitsplätze möchte man derzeit trotzdem keine Aussage treffen.
Speidel hat neben seinem Hauptsitz in Göppingen Niederlassungen in Berlin, Frankfurt und Karlsruhe – über ein Tochterunternehmen expandierte die Firma sogar bis nach Kroatien. Bevor das Unternehmen an den durch Corona, Energiekrise und Inflation in die höhe getriebenen Preisen und Engpässen wirtschaftlich scheiterte, galt es als Garant für Qualität und führte viele Großprojekte zum Erfolg. Zu den hochkarätigen Auftraggebern, die die Firma stolz auf ihrer Internetseite präsentiert, gehörte unter anderem die Europäische Zentralbank, für die man Arbeiten im Bereich der Elektroinstallation, Beleuchtung, Gebäudeautomation und an Niederspannungsschaltanlagen durchführte – für einen zweistelligen Millionenbetrag.
Auch am bekannten Mercedes Museum in Stuttgart oder am Opernturm in Frankfurt am Main war man in den Bereichen Starkstrom und Kommunikationstechnik engagiert, auch hier waren die Auftragssummen im zweistelligen Millionenbereich dotiert. Weitere Arbeitsfelder sind Sicherheitstechnik, Medientechnik, den Ausbau von erneuerbaren Energien und Elektro Mobilität – neben Solarparks gehörten gleich mehrere Krankenhäuser zu den Großkunden von Speidler.
Die Anfänge im Jahr 1921 waren hingegen sehr bescheiden. Widerhold Speidel gründete damals eine kleine Reparaturwerkstatt für Elektromotoren und Apparate. Erst acht Jahre später erhielt er seinen Meisterbrief – seitdem war Speidel ein meistergeführtes Unternehmen, doch die Ruhe währte nicht lange. Im Zuge des zweiten Weltkriegs wurde nicht nur Göppingen sondern auch die kleine Firma von Widerhold Speidel zerstört und musste völlig neu aufgebaut werden – dabei ergriff Speidel die Chance und expandierte in die Planung und den Bau von Transformatorstationen. Seitdem wurde das Leistungspektrum kontinuierlich ausgebaut. Im Jahre 1992 übernahm Brigitte Speidel in dritter Generation das Ruder und steuerte Speidel sicher ins 21. Jahrhundert.
Nach 100 Jahren und vielen Erfolgen hatte Speidel bereits 2020 sein historisches Stamm- und Verkaufshaus geschlossen, in dem 1921 die Reparaturwerkstatt von Widerhold Speidel gegründet wurde. Nur zwei Jahre später steht dank Energiekrise und Inflation die gesamte Firma mit all ihren 310 Mitarbeitern auf dem Spiel.