
Das Pleiteticker-Beleuchtungs-Update
Vielerorts wird’s nachts bald zappenduster. Um Strom zu sparen, wollen immer mehr deutsche Städte Straßenlaternen zu später Stunde dimmen oder ganz auszuschalten. Statt Sicherheit durch ausreichende Beleuchtung zu gewährleisten, wird die Bevölkerung in manchen Gemeinden dazu aufgerufen Taschenlampen mit sich zu führen.
„Moment, hier irgendwo sollte es sein – sieht du was?“ Diesen Satz könnten Touristen in Zukunft öfter sagen, wenn sie abends Sightseeing in einer Großstadt in Niedersachsen machen wollen.
In der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, mit ganzen 535.000 Einwohnern, wird seit dem Sommer auf das Anstrahlen von Sehenswürdigkeiten und weiteren Bauwerken verzichtet, wie z. B. dem Rathaus. Auch in Hildesheim, Wolfsburg und Osnabrück – alles Großstädte – werden Wahrzeichen und Denkmäler ganz oder teilweise im Dunkeln gelassen. Von abendlichem Charme dürfte nur noch wenig zu spüren sein.
Auch vor der Straßenbeleuchtung macht man nicht Halt. So wird die Helligkeit der Laternen in Hildesheim abends verringert. In Osnabrück schaltet man die Straßenbeleuchtung abends 15 Minuten später ein und morgens 15 Minuten früher ab. Von einer Gefährdung der Verkehrssicherheit ginge man nicht aus, sagte ein Sprecher der Stadt dem Magazin.
Düstere Denkmäler und dämmrige Straßen – Realität in vielen deutschen Städten während der Energiekrise.
In diesen Städten wird es nachts künftig komplett dunkel bleiben:
- Dörfles-Esbach
- St. Georgen
- Ludwigsfelde
- Mönchweiler
- Buchholz, Landkreis Schaumburg
- Donauschingen
- Sinsheim
- Rinteln
- Schiltach
- Weinsberg
- Dunningen
In diesen Städten erfolgt eine Teil-Abschaltung oder bleibt ein Dämmerlicht:
- Frankfurt am Main (Reduzierbetrieb von 33.000 „verkehrssichernde“ Straßenlaternen)
- Bahling (Reduzierung auf die Straßenbeleuchtung auf 10 Prozent)
- Schuttertal (Dimmung künftig schon um 20 Uhr auf 50 Prozent der Leuchtkraft)
- Pliening (Dimmung von 22 bis 5 Uhr auf 50 Prozent der Leistungsfähigkeit)
- Bremen (Dimmung vieler Lampen auf 50 Prozent der Leuchtkraft)
- Nürnberg (Dimmung ab 21 Uhr, künftig ab 20 Uhr)
- Düsseldorf (Ab 15.10.2022: Abschaltung von 8.000 der 14.000 Gaslaternen)
- Gudensberg (Nebenstraßen: Jede zweite Laterne aus, Hauptstraßen: Reduzierung Leuchtkraft)
- Eilenburg (Stadtgebiet: Ausschaltung jeder zweiten Laterne)
- Bad Düben (Nebenstraßen mit Ausnahmen der Hauptachsen komplett abgeschaltet)
- Leichlingen (Abschaltung jeder zweiten Laterne)
- Leimen (Zwischen 23 und 5 Uhr Dimmung auf 30 Prozent)
- Ratingen (immer mehr Ampelanlgen werden ausgeschaltet: Bisher 18, nun kommen 9 hinzu)
- Werneck (LED-Umrüstung, nächtliche Dimmung für sieben Stunden)
- Neunkrichen-Seelscheid (Von 1303 Straßenlaternen werden 1122 zwischen 24 und 4:30 Uhr abgeschaltet, eine weitere Reduzierung wird angestrebt)
Keine gute Idee, findet die Polizei: „Wir hoffen natürlich, dass es infolge von Lichtabschaltungen nicht zu mehr Straftaten kommen wird, aber wir befürchten es.“ Denn Kriminelle nutzten Dunkelheit für Überfälle, so Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW.
Ralf Kusterer, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, teilt diese Sorge: „Licht bietet Sicherheit“. Deshalb warnt auch die baden-württembergische Polizeigewerkschaft vor dunklen Straßen. Ohne Beleuchtung müsse man mit einem Anstieg der Kriminalität rechnen – das heißt: Mehr Einbrüche, mehr Vandalismus, mehr Sachbeschädigung, mehr Farbschmierereien und Ähnliches.
Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich kritisch zu den Plänen: „Die Straßenlaternen im öffentlichen Raum müssen an bleiben. Denn wo es dunkel ist, fühlt man sich nicht mehr sicher, da entstehen subjektiv Angsträume.“
Doch das ist nicht nur ein Gefühl, es ist wissenschaftlich belegt. In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass an Orten, an denen die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet wird, das „subjektive Sicherheitsgefühl” der Bürger – und hier insbesondere der Frauen – sinkt. Genau wie schon vielfach bewiesen wurde, dass die Kriminalität steigt. Die Beleuchtung von Wegen, Straßen und auf Plätzen ist nicht umsonst ein wesentlicher Punkt der Kriminalprävention.
Mehr zu diesem Thema: WDR-Quatsch „Quarks“
Obwohl die Gefahr von dunklem Straßen eigentlich jedem Menschen logisch erscheint, berichtet der WDR in seinem Wissenschaftsformat „Quarks“ das Gegenteil. „Eher unwahrscheinlich! Internationale Studien zeigen, dass mehr oder weniger Straßenbeleuchtung kaum Einfluss auf die Zahl der Gewaltdelikte hat“, hieß es auf einer Infografik.
Gleich im vierten Satz der als Beweis angeführten Studie von Welsh und Farrington aus dem Jahr 2022 steht das exakte Gegenteil von dem, was die „Quarks-Redaktion“ behauptet: „Die Überprüfung stellt fest, dass Eingriffe durch Straßenbeleuchtung mit einer signifikanten wünschenswerten Wirkung auf die Gesamtkriminalität verbunden sind (14 % Reduzierung der Behandlungsbereiche im Vergleich zu vergleichbaren Kontrollbereichen).“
Kurze danach kommt der Halbsatz, den Quarks aus dem Kontext gerissen hat: „Bei den Gewaltdelikten ist im Gegensatz zu den Eigentumsdelikten keine signifikante Verringerung zu beobachten“ – das heißt aber nicht, dass es keine gab. Die Begründung ist ganz einfach. Wenn die Lichter aus sind, trauen sich vielleicht auch weniger Menschen auf die Straße, so die Wissenschaftler.
Quarks legte den Autoren der Studie also ein Fazit in den Mund, zu dem sie gar nicht gekommen sind. Das Fazit der Autoren lautete nämlich, dass die Straßenbeleuchtung weiterhin eine „hochwirksame Maßnahme zur Verhinderung von Kriminalität an öffentlichen Orten“ ist.
Wir haben bei den Frauen in Berlin nachgefragt, was es für sie bedeuten würde, wenn die Straßenbeleuchtung abgeschaltet wird. Die Antworten waren eindeutig: Mehr Angst vor Übergriffen, mehr Schutz für Täter – einige Frauen, würden das Haus überhaupt nicht mehr verlassen.
Sehen Sie das ganze Video hier: