
In ihrem Maßnahmen-Katalog identifizierte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Rechtsextremismus als größte Bedrohung. Die inländische Spionageabwehr fiel durch ihren Kurswechsel hinten rüber.
Im Januar, vier Wochen vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, änderte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seinen Kurs. Maik Pawlowsky, Leiter der Spionageabwehr des BfV, erklärte, man wolle keine „Vierer-Fälle” mehr. Die Fachabteilung vier ist verantwortlich für die Enttarnung ausländischer Spione. Stattdessen solle der Fokus auf den Rechtsextremismus gelenkt werden.Diese Kursänderung geht aus dem Maßnahmen-Katalog der Bundesinnenministerin Nancy Faeser hervor. In diesem stuft sie den Rechtsextremismus als oberste Priorität ein.Schattenmänner und feindliche Spione seien weniger relevant. Sicherheitsexperten stufen diese Entscheidung als deutliche Schwächung der Spionageabwehrkapazitäten ein.
Am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, wurde der mutmaßliche russische Topagent Carsten L. enttarnt und verhaftet. Ihn erwartet ein Prozess wegen mutmaßlichen Landesverrat und der Weitergabe von Staatsgeheimnissen an Russland. Den echten Namen von Carsten L. Sowie weitere Hintergründe werden unter Verschluss gehalten. Dadurch möchte man verhindern, dass Moskau durch Medienberichte über den Kenntnisstand deutscher Behörden erfährt.Im Bundesnachrichtendienst (BND) hatte Carsten L. eine Führungsrolle im Fachbereich „Technische Aufklärung” inne. Er fungierte gewissermaßen wie das große Ohr des BND. Die Abteilung ist verantwortlich für das Sammeln von Informationen über Kriege, Militär, Regierungen, Terrorismus und Waffenhandel. Die Aufgabe von Carsten L. war es dann aus der Gesamtheit der Informationen Lagebilder für die Bundesregierung, die Bundeswehr sowie einzelne Ministerien und Fachausschüsse zu erstellen.
Dafür konnte Carsten L. Auch auf Informationen aus alliierteren Nachrichtendiensten abzurufen, um seine Lageberichte zu erstellen. Laut Informationen von Focus ist es derzeit nicht auszuschließen, dass Carsten L. Informationen anderer Geheimdienste an Moskau weitergeleitet hat. Dadurch ergibt sich nicht nur für den BND ein Sicherheitsproblem, auch andere Geheimdienste könnten kompromittiert worden sein. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem BND und seinen Partner könnte dadurch schwer beschädigt worden sein.Wie lange und wie es dazu kommen konnte, dass Carsten L. unentdeckt Informationen an Russland weitergeben konnte, ist derzeit nicht klar. „Nahezu alle guten Leute des gehobenen und höheren Dienstes werden für die Abteilung 2 zur Beobachtung und Aufklärung des Rechtsextremismus rekrutiert”, erklärt ein Insider aus der Kölner BfV-Zentrale dem Focus. Auch ein Karlsruher Bundesanwalt zweifelt an der Fähigkeit der deutschen Spionageabwehr. „Ich wage zu behaupten, dass man das BfV in dieser Hinsicht zum Jagen tragen muss!”