
Von Larissa Fußer
Der Angriff auf zwei Mädchen in Illerkirchberg hat das ganze Land erschüttert. Während sich deutsche Politiker, Behörden und der Öffentlich-Rechtliche-Rundfunk in schrillen Warnungen vor einem Generalverdacht gegen Asylbewerber überschlagen, herrscht im kleinen Dorf Illerkirchberg eine bedrückende Stille. Immer mehr Menschen legen betroffen Blumen und Kerzen nieder, um der ermordeten 14-Jährigen zu gedenken. Wer war das Mädchen, das am Montagmorgen von einem Asylbewerber aus Eritrea erstochen wurde?
Viel bekannt ist bisher nicht. Ece war ein fröhliches Mädchen, das im Verein tanzte und die alevitische Gemeinde besuchte. Sie wurde 2008 in Deutschland geboren, ihre Eltern Nuray und Mesut S., sowie ihr Opa İbrahim Kızılöz stammen aus der Türkei. Sie soll außerdem einen Zwillingsbruder haben. Auf Twitter wurden inzwischen Bildern von Ece veröffentlicht. Auf ihnen lächelt ein Mädchen mit weichen Gesichtszügen in die Kamera. Sie ist gerade alt genug, um Make-up zu tragen. Ihre braunen Haare hat sie mit Bedacht zurechtgelegt, sie trägt eine Halskette. Dieses Mädchen hatte noch viel vor. Doch jetzt wurde es brutal dem Leben entrissen.
Ece und ihre 13-jährige Freundin Nerea M. waren gerade auf dem Weg zum Schulbus, als der Eritreer mit einem Messer in der Hand auf sie zu rannte. Der Asylbewerber stach der kleinen Ece mit einem Messer in den Bauch, Nerea rammte er das Messer in die Brust. Danach rannte er in eine nahegelegene Flüchtlingsunterkunft, wo er später festgenommen wurde. Augenzeugen liefen sofort zu den stark blutenden Mädchen und riefen die Polizei. Notärzte schafften es zunächst, die schwer verletzte Ece am Tatort wieder zu beleben, doch Ece und Nerea verloren immer weiter Blut. Im Krankenhaus wurden die Mädchen notoperiert. Doch die Ärzte konnte die kleine Ece nicht mehr retten, sie verblutete an den Schnittwunden, die ihr der Eritreer zugefügt hatte. Der Obduktionsbericht bestätigte später, dass Ece infolge des Blutverlustes verstorben war. Nerea hat schwer verletzt überlebt. Sie ist immer noch im Krankenhaus – und hat inzwischen erfahren, dass ihre Freundin gestorben ist. Vermutlich steht sie schwer unter Schock. Wie soll eine 13-Jährige so eine Schreckenstat verarbeiten?
Am Dienstag, um 14 Uhr, hat die alevitische Gemeinde in Ulm eine Trauerfeier für Ece abgehalten. Auch am Tatort in Illerkirchberg versammelten sich am Dienstagabend Betroffene, um ihr Mitgefühl, ihre Trauer und Wut über diese sinnlose, grausame Tat auszudrücken. Nicht dabei war Eces Familie. Vermutlich konnte sie noch nicht in die Öffentlichkeit treten. Wie soll eine Mutter damit leben, dass ihre Tochter erstochen wurde? Wie soll ein Vater ertragen, dass sein Kind, das er doch immer beschützen wollte, ermordet wurde? Einfach so, auf offener Straße? Wer kommt für das Leben auf, das Ece noch vor sich hatte? Die Schulzeit, die erste Liebe, den Schulabschluss, Joberfahrungen, vielleicht hätte Ece geheiratet, Kinder bekommen. Wer soll die Momente ersetzen, die Eces Familie noch mit ihr gehabt hätte? Der Schmerz, die Trauer und Wut der Angehörigen müssen unerträglich sein.
Der türkische Botschafter Ahmet Başar Şen und der stellvertretende Stuttgarter Generalkonsul Nesimi Emci waren Dienstag früh bei Eces Familie, um ihr Beileid auszusprechen. Auf Besuche von Olaf Scholz, Nancy Faeser oder anderen deutschen Politikern warten Eces Mutter, Vater, Opa und Bruder bisher vergebens.
Am heutigen Mittwoch um 13.30 Uhr wird Ece auf dem Friedhof von Illerkirchberg beerdigt.