
In Europa geht uns die Kohle aus. Doch diese bildet das Rückgrat der Stromerzeugung. Auch in Deutschland droht uns deshalb ein Strommangel.
Die Energieversorgung in unseren Nachbarländern ist diesen Winter gefährdeter als bisher. Dies geht aus der saisonalen Einschätzung der europäischen Netzgruppe Entsoe hervor. Braun- und Steinkohle bildeten bisher den verlässlichen Eckpfeiler der Stromversorgung. Doch diesen Winter droht uns die Kohle auszugehen.
Besonders Polen ist von diesem Mangel betroffen. Dort besteht ein gewaltiges Logistikproblem. Besonders im Januar und Februar kann es dazu kommen, dass Kraftwerke nicht ausreichend beliefert werden können. Dies gilt gleichermaßen für polnische Kohle und über den Seeweg importierte Kohle. Dadurch prognostiziert die europäische Netzgruppe Entsoe einen Abfall der Kohlestromproduktion von 9,3 Terrawattstunden. Deshalb wird von einem Einbruch der Stromexporte ausgegangen. Im ersten Halbjahr von 2022 hat Polen 3,6 Terrawattstunden nach Deutschland exportiert.
Auch für Deutschland prognostiziert die Entsoe einen Abfall der Kohleverstromung, allerdings weniger gravierend als in Polen. EAG, der letzte Briketthersteller (Braunkohle) in ganz Europa, gab auf WELT Nachfrage bekannt, dass die Förderkapazitäten bereits „voll ausgelastet” seien. Der Mangel lässt sich also nicht ausgleichen. Zwar spricht die Netzgruppe für Deutschland keine Warnung aus. Allerdings warnt sie vor den Ausfällen in den europäischen Nachbarländern während der Wintermonate Januar und Februar, welche Deutschland nicht ausgleichen könnte.
Denn auch in Frankreich bleibt die Situation angespannt. Derzeit sind nur wenige französische Atomkraftwerke ans Netz angeschlossen. Die Entsoe spricht von einem höheren Risiko als in vorherigen Wintern. Die französische Energiesicherheit beruht auf europäischer Kooperation, ohne Stromimporte drohen Ausfälle. Auch in Schweden wird derzeit ein Atomkraftwerk gewartet, diese Arbeiten sollen noch bis zum 31. Januar andauern. Dadurch ergibt sich ein weiteres Loch in der europäischen Stromerzeugung.
Diese Entwicklung ist ein deutlicher Indikator dafür, dass auch in Deutschland die Sicherstellung der Inlandsversorgung und des Exports in Knappheitssituationen im Ausland gefährdet ist. Aufgrund der hohen installierten Leistung von Gaskraftwerken in Deutschland ist es von größter Bedeutung, dass diese Anlagen auch in einer Gasknappheitssituation ausreichend versorgt werden. Gaskraftwerke stellen auch die Notversorgung. Insbesondere eine potenziell reduzierte Gasverfügbarkeit aufgrund eines sehr kalten Januars stellt daher ein großes Risiko dar.