Im Interview mit „Schuler! Fragen, was ist“ erklärt der frühere Hamburger Umweltsenator und ehemalige Windpark-Manager Prof. Fritz Vahrenholt (SPD), warum die Energiepolitik der Bundesregierung Deutschland schadet und er die möglichen Folgen des Klimawandels für weniger bedrohlich hält.
„Die Traumwelten werden immer irrealer!“ Der ehemalige Windpark-Manager, Hamburgs früherer Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) rechnet mit der Energiepolitik der Bundesregierung ab und malt ein düsteres Bild. Im Interview mit „Schuler! Fragen, was ist“ seziert Vahrenholt anhand offizieller Zahlen, warum auch der Ausbau erneuerbarer Energien Deutschland in eine Strom-Krise stürzen wird.
Auf die Frage, wie Deutschland dasteht, wenn sich die Grünen mit ihrer Energiepolitik durchsetzen, sagt er: „Dann haben wir wahrscheinlich fünf Millionen weniger Arbeitsplätze, wir werden an Wohlstand verloren haben, uns wird es insgesamt schlechter gehen, wir werden an Technologien nicht mehr forschen können. Wir werden uns das nicht mehr leisten können. Das wird schon in fünf bis sechs Jahren passieren.“
„Wir sind die Geisterfahrer der Welt“
Die Folgen der grünen Politik zeichnet Vahrenholt in dramatischen Farben: „Wir machen den Standtort Deutschland sehr teuer, weil wir die Energie sehr teuer machen. Das ist politisch gewollt. Man hat sogar die preiswerteste Energie, die Kernenergie, seit zehn Jahren aufs Abstellgleis gedrängt. Bei der Kernenergie sind wir wirklich die Geisterfahrer der Welt. Wir sind die einzigen, die nach Fukushima ausgestiegen sind. Die Japaner sind jetzt wieder drin. Es gibt kein Land, das meint, mit unsteter Erzeugung aus Wind und Sonne eine hochentwickelte Volkswirtschaft zu entwickeln.“
Vahrenholt räumt auch mit dem Grünen-Slogan auf: „Wir haben kein Strom-Problem. Wir haben ein Gas-Problem.“ Zur Erklärung, wie es zu diesem Spruch kommen konnte, sagt der Energie-Experte: „Man hat versucht, das Problem von der Stromseite wegzunehmen, weil man ja unter Druck war. Es war ja offensichtlich, dass man die Kernkraftwerke länger laufen lassen musste, dass man sogar den Kohleausstieg zur Disposition stellen musste. Das wollte man verkleistern. Deswegen hat man gesagt, wir haben ja nur ein Gas-Problem. Es stellt sich jetzt immer deutlicher heraus: Wir haben vor allen Dingen ein massives Strom-Problem. Im kommenden Winter sind die letzten Kernkraftwerke vom Netz, die Ersatzkraftwerke, die Braunkohlekraftwerke, die wir jetzt kurz wieder ans Netz genommen haben, kommen wieder weg, das heißt: Wir kriegen ein riesiges, massives Strom-Problem. Es wird Knappheit an Strom geben, es wird Mangel an Strom geben, und es wird sehr, sehr teuer.“
„Kernfehler liegt in Fixierung auf erneuerbare Energien“
Angesichts weiter steigender Strompreise warnt Vahrenholt unter anderem vor der Anschaffung von E-Autos. „Ich kann nur jedem sagen: Wer sich in dieser Situation ein Elektroauto zulegt, der hat viel Gottvertrauen. Das gleiche wird für Wärmepumpen stattfinden. Und es wird natürlich für die stromintensive Industrie zutreffen: Für Aluminium, für Stahl, für Kupfer-Anlagen, die man dann abstellt, damit das Netz nicht zusammenbricht.“
Der Kernfehler der deutschen Energiepolitik liege in der einseitigen Fixierung auf erneuerbare Energien, die kein anderes Land der Welt mit der Bundesrepublik teile, sagte Vahrenholt, der sich in seinem neuen Buch „Die große Energiekrise“ auch mit weltweiten Szenarien auseinandersetzt. „Ich finde Windkraft nach wie vor eine durchaus attraktive Erzeugungsform. Auch Solar finde ich in dezentralen, sonnenreichen Erzeugungsformen ganz ausgezeichnet. Der Fehler ist dann irgendwann 2011/2012 entstanden, als man geglaubt hat, man kann mit diesen beiden Erzeugungsformen alles machen. Hundert Prozent. Solange wir bei 20 Prozent oder 30 Prozent sind, ist das etwas, was ein System verzeiht. Das ist ein bisschen teurer, ein bisschen unzuverlässiger, aber dann muss man eben die anderen Kraftwerke ein bisschen höher- oder runterfahren, bisschen darauf anpassen. Aber bei hundert Prozent sind sie in einem Zwangskorsett, dass wahnsinnig teuer wird, wenn man es stabil halten will. Das macht mir seit zehn Jahren wahnsinnige Sorge.“
„Negative Folgen von Windrädern ausgeblendet: Politik macht sich schuldig“
Die Politik, so Vahrenholt, mache sich schuldig, dass beispielsweise negative Folgen von Windkraft überhaupt nicht untersucht und erforscht werden. „Es ist politisch nicht gewollt, dass man die Folgen von Windkraft untersucht. Wir hatten bei der Deutschen Wildtierstiftung eine Studie vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum, wonach ein Großteil der wandernden Insekten durch die Windkraftanlagen vernichtet wird. Das ist natürlich etwas, wo man sagen muss: Was bedeutet das in der ökologischen Kette? Dann habe ich der Bundesministerin Schulze damals vorgeschlagen: Das muss man jetzt mal genau untersuchen. Wir wollten Mess-Masten vor die Windkraftanlagen stellen und messen, wie viele Insekten gibt es vorher, wie viele danach. Wir wollten auch die Kosten übernehmen. Die Stiftung hatte das Geld. Und dann kriegte ich die Mitteilung: Das ist nicht prioritär. Das war ihre Aussage. Man will bei dieser Frage nicht noch irgendwas aufbohren, was den ganzen Weg in diese Erneuerbare-Zukunft behindert. (…) Diese Forschung zu wandernden Insekten ist eingestellt worden. Die gibt es nicht mehr.“
„Leichte Erwärmung wird beherrschbar sein“
Der Klimawandel sei ein Fakt, so Vahrenholt, die Hochrechnung der mutmaßlich zu erwartenden katastrophalen Folgen teile er jedoch nicht. „Ich bin dafür, dass alles, was an CO2-Minderung vernüftigerweise gemacht werden kann, auch gemacht wird, weil wir es nicht genau wissen. Ich sage ja auch: Wir werden eine weitere Erwärmung bekommen. Aber das, was uns erzählt wird, dass in fünfzig Jahren drei, vier Grad höhere Temperaturen zu befürchten sind, das ist höchst unwahrscheinlich und kann man wirklich unter Panikmache abheften, weil man einfach an den Modellen rumgeschraubt hat. Wenn man den wahrscheinlichsten Weg geht, wird man eine leichte Erwärmung haben. Das ist aber keine Katastrophe. Das ist beherrschbar. Wir müssen uns anpassen an diese Entwicklung und wir müssen natürlich auch CO2 runterbekommen. Deshalb verstehe ich nicht: Warum haben wir immer noch Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidung in Deutschland? Wir hatten mal eins, das ist inzwischen abgebaut worden und steht jetzt in Kanada, weil in Deutschland das Abscheiden von CO2 und das Verpressen in den Untergrund verboten ist.“
