Erstmals geht eine Bürgerin der 508-Seelen-Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern juristisch gegen den Landkreis Nordwestmecklenburg und das geplante Containerdorf vor.

von Helena Gebhard und Jan Karon
Erstmalig geht eine Bürgerin der Gemeinde Upahl rechtlich gegen den geplanten Bau der Flüchtlingsunterkunft vor: Die Versicherungskontorin Anika Reisch hat beim Verwaltungsgericht Schwerin Antrag auf einen Baustopp des vor Ort geplanten Containerdorfs eingereicht. In der Klageschrift an den Antragsgegner, den Landkreis Nordwestmecklenburg, die „Achtung, Reichelt!“ exklusiv vorliegt, wird beantragt, die Bauarbeiten zur Errichtung der Unterkunft für bis zu 500 Geflüchtete einzustellen. Weiter sollen bereits errichtete Container und Fundamente auf dem Grundstück beseitigt werden.
In dem Dokument heißt es, dass die Antragstellerin Eigentümerin eines Grundstückes „in unmittelbarer Nachbarschaft der geplanten Flüchtlingsunterkunft“ sei und durch die direkte Nähe „einen Wertverlust ihres Grundstückes“ sowie die „Beeinträchtigung ihres ausgeübten Gewerbebetriebes“ befürchte. Als Versicherungsmaklerin sei Frau Reisch darauf angewiesen, dass Kunden „ungehindert und unbeschwert“ ihre Büroräume erreichen können.
Die Gemeinde Upahl in Mecklenburg-Vorpommern war im Januar 2023 in die bundesweite Öffentlichkeit geraten, als bekannt wurde, dass ein Containerdorf für so viel Geflüchtete wie Einwohner entstehen soll. Die Bürger der Gemeinde wurden damals nicht vorab über die Pläne des Landrats informiert. Schnell formierte sich Protest. Die Antragstellerin in der Klageschrift, Anika Reisch, führte diesen Bürgerprotest an und organisierte binnen weniger Tage mehr als 1.500 Unterschriften, die sich gegen die geplante Errichtung aussprechen.
In der Klageschrift heißt es weiter, dass die Errichtung der geplanten Unterkunft illegal sei, weil entsprechende Bauanträge fehlten. Und: Eine Baugenehmigung könne auch deshalb nicht erteilt werden, weil der Bebauungsplan vorsieht, dass sich auf dem Areal Gewerbe und Industrie, nicht aber Unterkünfte für Menschen ansiedeln können. Eine Abwägung der Interessen habe zudem nicht stattgefunden; nachbarliche Interessen seien nicht gewürdigt worden.
Vor dem Antrag Reischs hatte bereits die Gemeinde Upahl Ende Februar eine „einstweilige Anordnung“ eines Stopps der aktuellen Baumaßnahmen beim Landgericht Schwerin gestellt. Die Gemeinde führte darin unter anderem aus, dass der Baubeginn auf Grund von Verfahrensfehlern rechtswidrig sei.
Sozialer Zusammenhalt und Frieden der Gemeinde gefährdet
Neben den formaljuristischen Ausführungen wird in der Klageschrift deutlich, dass Reisch deutliche Fehler bei der Politik sieht. Da der Landkreis „in der Vergangenheit unterlassen hat, entsprechende Flüchtlingsunterkünfte zu errichten“, heißt es in dem Dokument, existiere zum Zeitpunkt lediglich eine Unterkunft in Wismar. Somit, so die Schlussfolgerung, lasse sich feststellen, dass in der Vergangenheit versäumt wurde, Flächen anzukaufen und Unterkünfte zu errichten.
Ferner sei durch den Antragsgegner, den Landkreis Nordwestmecklenburg, nicht dargelegt worden, dass die Errichtung der bis zu 500 Plätze erforderlich wäre. So sollen durch den Antragsgegner zumindest überprüft werden, ob der geplante Umfang objektiv zumutbar ist. Da es sich bei der Gemeinde Upahl um eine Gemeinde mit 508 Einwohnern handele – und etwa die gleiche Zahl an Flüchtlingen aufgenommen werden solle – erscheinen der „soziale Zusammenhalt“ und „Frieden der Gemeinde“ gefährdet. Auch könne die Infrastruktur für einen solchen Umfang nicht gestellt werden; in der Gemeinde fehlten schon jetzt sowohl Kinderbetreuungseinrichtungen als auch Schulen.