
Von RALF SCHULER
Kein gutes Zeugnis für das Geschlechter-Klima in der FDP!
Eine interne Studie sorgt derzeit in der FDP für Furore. Im Oktober 2022 hat die Diplom-Psychologin Maria-Christina Nimmerfroh im Auftrag des FDP-Präsidiums in Hessen die Mitglieder und zusätzlich FDP-Wähler befragt, um das schon oft kritisierte Verhältnis zwischen Männern in der Partei zu untersuchen. Das Ergebnis: verheerend!
„In der FDP existieren strukturelle Hemmnisse in Bezug auf Chancengerechtigkeit. Die werden insbesondere von Frauen wahrgenommen“, heißt es in der internen Studie, die Pleiteticker.de vorliegt. „Viele Mitglieder (m/w) berichten in großem Umfang von unangemessen Äußerungen gegenüber Frauen.“ Und: „Das Image als Männerpartei, in der es Frauen schwerer haben, wird von FDP-Wählern (m/w/d) sehr deutlich wahrgenommen.“
Besonders schockierend: Frauen in der FDP finden, dass die Partei eigentlich nicht zu ihnen passt! „In Bezug auf Frauen und ihre Chancen in der Partei zeichnet sich ein sehr skeptisches Bild ab“, schreibt Maria-Christina Nimmerfroh in der neunseitigen Auswertung der Befragung. „So sind unter den männlichen Parteimitgliedern ein Drittel der Ansicht, dass die Parteistrukturen der FDP nicht gut zu den Bedürfnissen von Frauen passen. Unter den weiblichen Mitgliedern sind das sogar die Hälfte. Das bedeutet, dass in der Partei aktive Frauen zu einem großen Teil der Ansicht sind, in einer Partei aktiv zu sein, die von der Arbeitsweise her nicht zu ihnen passt.“
Schonungslos untersucht die Studie auch „unangemessenes“ Verhalten von Männern gegenüber Frauen. „Bei männlichen Personen, die diese Frage beantwortet haben, liegt der Anteil berichteten unangemessen Äußerungen bei etwa 25 %, bei den Frauen sind dies über 60 %.“ Und: „Auffällig ist, dass eine ganze Reihe von männlichen Befragten sich deutlich negativ über das Thema dieser Frage geäußert haben. Zu den Reaktionen zählen Ansichten wie, das Thema sei nicht relevant und es gebe unangemessenes Verhalten auch in eine andere Richtung. Die Äußerungen steigern sich bis hin zu Vorwürfen, dass so eine Frage doch nur von einer Frau gestellt werden könne und wenn man sich mit so etwas befassen wolle, wäre man in die Partei die Grünen eingetreten.“
Das Sexismus-Ranking der FDP
Und dann geht die Studie richtig zur Sache: „Die meisten genannten Äußerungen der männlichen Befragten bezogen sich auf das Aussehen von Frauen, das bedeutet, es wird, sowohl in abwertender als auch in erotisierender Form Kleidung, Figur und Make-Up thematisiert, sowohl in Anwesenheit als auch in Abwesenheit der Betroffenen. Eine große Zahl von Äußerungen ist der Kategorie Sexismus zuzuordnen, der auch von einigen Befragten explizit so genannt wird, obwohl diese Formulierung im Fragebogen an keiner Stelle erwähnt wird. Das so genannte Frauenticket, implizit für Frauen vorgesehene Plätze in Vorständen oder auf Listen, wird ebenfalls mit großer Häufigkeit erwähnt. Auf Platz 4 der Häufigkeit der Nennungen sind affektive Zustände von Frauen oder Hinweise auf fehlende oder überraschend vorhandene Kompetenz. Bei den affektiven Zuständen werden frauenspezifische Stimmungsschwankungen erwähnt als auch Hinweise auf Menstruationszyklen gegeben.“
Weiter heißt es in der Untersuchung: „Über 60 % der weiblichen Mitglieder sind der Ansicht, dass sie mehr leisten müssten, um ernst genommen zu werden und jede zweite FDP-Frau meint, dass die Parteiarbeit, so wie sie stattfindet, nicht zu den Bedürfnissen von Frauen passt. Ebenfalls von 50 % der weiblichen Befragten wird angegeben, dass eine hohe Anpassungsleistung an die Verhaltensweisen der Männer von Frauen in der Politik erwartet wird. Auch hierbei ist zu beachten, dass diese Ansichten von Frauen geäußert werden, die in der Partei sind und sich offensichtlich entschieden haben, in dieser Umgebung, die sie sehr kritisch sehen, aktiv zu sein. Es muss gefragt werden, ob tatsächlich weibliche Politiker mit dieser kritischen Haltung überhaupt Vorbildfunktion für neue Mitgliederrinnen wahrnehmen können.“
Interessant ist, dass Frauen und Männer in der FDP bei der Bewertung politischer Themen weitgehend einig sind, so die Studie. Männer schätzen aber das Interesse von Frauen an Politik insgesamt deutlich geringer ein als bei sich selbst: „Über 40% der männlichen FDP-Mitglieder gehen davon aus, dass Frauen weniger Interesse an Politik haben als Männer, aber nur 25% der FDP-Frauen sind dieser Ansicht (Anteil unter Wählern 22%). Es ist davon auszugehen, dass diese verzerrte Wahrnehmung auch Auswirkungen auf den Umgang hat, z.B. bei der Personalauswahl.“
DASS es ein Problem gibt, darüber sind sich lieberale Männer und Frauen laut der Studie einig: „Gut ein Drittel der männlichen Parteimitglieder ist der Ansicht, dass die Partei ursächlich dafür ist, dass ich dort weniger Frauen als Männer engagieren. Fast die Hälfte der weiblichen Mitglieder teilen diese Meinung. Und unter den Wählerinnen und Wählern sind es fast zwei Drittel. Auch die Vorwürfe in den Medien, bei der FDP handelt es sich um eine Männerpartei, wird von etwa 25 % der männlichen Parteimitglieder geteilt. Bei den weiblichen Parteimitgliedern sind es ein Drittel und bei den Wählerinnen und Wählern fast 45 %.“ Damit zeige sich, dass die Wahrnehmung des Problems zwar sehr unterschiedlich aber Problembewusstsein doch parteiübergreifend vorhanden sei, so Autorin Nimmerfroh.
„Frauen sind auch Frauen gegenüber kritischer“, schreibt sie. „So sind knapp 60 % der weiblichen Mitglieder der Ansicht, dass Frauen sich innerhalb der Partei schlechter präsentieren als Männer. Bei männlichen Parteimitgliedern sind dies deutlich weniger. Sehr uneinig ist die Partei in der Frage, ob jüngere Menschen, Frauen oder anderen Interessengruppen größerer Raum eingeräumt werden muss. Bei männlichen Parteimitgliedern sind circa die Hälfte dieser Ansicht, bei Frauen knapp 70 %.“
Was gegen das schlechte Image zu tun ist, darüber sind die Liberalen, laut der Studie, offenbar ziemlich ratlos. „Die Wahlergebnisse zeigen deutlich, dass Frauen in Führungspositionen wenig Auswirkungen auf das Verhalten von FDP-Wählerinnen haben. Die skeptische Konsequenz ist, dass weibliche Kandidaten auf vorderen Plätzen keine positiven Auswirkungen haben.“