Dienstreisen-Skandal bei Nancy Faeser: Unsere Recherchen zeigen, dass Faeser ihren Wahlkampf schon seit einem Jahr mit unverhältnismäßig vielen Dienstreisen nach Hessen ankurbelt. Ein Einblick in die Hessen-Reisen, die man vor Gericht verschleiern wollte.

Schon bevor Bundesinnenministerin Nancy Faeser offiziell bekannt gegeben hat, dass sie für das Amt der Ministerpräsidentin in Hessen kandidieren wird, wollten wir wissen, wie oft Frau Faeser in ihrer Amtszeit eigentlich in Hessen unterwegs war. Unsere Recherche wurde vom Bundesinnenministerium bekämpft, erste, unvollständige Informationen bekamen wir erst vor Gericht und doch können wir nun eine Liste aller 50 öffentlichen, nicht streng geheimen Dienstreisen von Dezember 2021 bis 2022 vorlegen – von denen 21 in Faesers hessische Heimat gingen.
Frau Faeser hat auf Steuerzahlerkosten also abnorm viele Dienstreisen nach Hessen unternommen – das Bundesland ist damit, gemessen an der Bevölkerungszahl, fünffach überrepräsentiert. Und nicht nur das: Viele Dienstreisen, insbesondere die 17, die uns vor Gericht verschwiegen wurden – von denen 13 nach Hessen gingen – haben einen auffälligen SPD-Bezug. Es scheint so, dass Frau Faeser nicht erst seit gestern Wahlkampf für das Ministerpräsidentenamt macht.
Einige der vor Gericht verschwiegenen Reisen im Überblick:
Get together mit der hessischen Prominenz
Am 1. Juli 2022 reiste Nancy Faeser zu den Bad Hersfelder Festspielen, um die Eröffnungsrede zu halten – eine große Feierlichkeit, eines der gesellschaftlichen Events in Hessen. 1131 Karten wurden für den Festakt vergeben, es waren zahlreiche Prominente aus dem Schauspiel, der Wirtschaft und der Politik vor Ort, die von Spitzenköchen bekocht wurden. Das soll nun eine Dienstreise und kein Wahlkampf gewesen sein? Bei Nancy Faeser selbst klang das am Montag ganz anders: „Natürlich weiß ich auch, wie wichtig die finanzielle Unterstützung von Bund und Land für die Festspiele sind. Meine Unterstützung haben die Festspiele jedenfalls, wenn ich Ministerpräsidentin werde, weil sie ein so wertvolles Kulturgut sind. Und mir wäre es auch eine Freude, als Ministerpräsidentin die Bad Hersfelder Festspiele zu eröffnen.“


Am 2. September 2022 nahm Faeser an der Premiere des Filmes „So sieht unser Frankfurt aus“ in der Astor Filmlounge, einem Luxus-Kino, teil. Bei der Premieren-Veranstaltung des Filmes über Obdachlosigkeit ließ sich Faeser dann gleich mit der örtlichen Prominenz ablichten – zum Beispiel mit dem Eintracht Frankfurt Trainer Oliver Glasner.

Von der Filmpremiere zur SPD-Hochzeit
Zufälligerweise fand gleich am nächsten Tag „das gesellschaftliche Ereignis im politischen Leben des Main-Taunus-Kreises“ statt, wie die SPD Main-Thaunus in ihrer Kreistagszeitung schreibt: die Hochzeit von Faesers Parteikollegin Julia Ostrowicki und ihrer Frau Sabine. Eine große Hochzeitsgesellschaft aus „Familienmitgliedern, Freundinnen und Freunden und politischen Weggefährt*innen“ fand sich zusammen, um mit dem Paar zu Feiern – darunter Dr. Philipp Neuhaus Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. Dieses Event, das von örtlichen Medien begleitet wurde, konnte sich Faeser natürlich nicht entgehen lassen, sie kam persönlich zur Trauung in der Eppsteiner Talkirche.

Faesers „Hessentage“
Am 16. September 2022 besuchte Nancy Faeser dann „dienstlich“ den Bundesstützpunkt des deutschen Schützenbundes in Wiesbaden – zusammen mit dem SPD-Oberbürgermeister von Wiesbaden, Gert-Uwe Mende. Der Besuch taucht auf der Seite des Landesverbandes der SPD Hessen als Fotografie aber unter dem Titel „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” auf. Die SPD sieht den Besuch anscheinend eindeutig als Parteireise an.


Sie schreiben: „Im Mittelpunkt des Besuches im Rheingau-Taunus-Kreis am 16. September 2022 standen zwei Firmenbesuche bei Brita in Taunusstein und Schwälbchen in Bad Schwalbach“ – Firmenbesuche, die laut BMI keine Dienstreisen waren. Sie zeugen eher von einem Wahlkampfcharakter: Wie das Schwälbchen selbst stolz mitteilte, kamen neben Faeser auch der Schwalbacher SPD-Bürgermeisters Markus Oberndörfer und der SPD-Landtagsabgeordneten Marius Weiß.

Am 04. November 2022 besucht Faeser „dienstlich“ das Polizeioldtimer Museum in Marburg – wieder wird die Veranstaltung von der SPD unter der Überschrift „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” geführt. Außerdem findet ein gemeinsames Gespräch mit SPD-Landrat Jens Womelsdorf, SPD-Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies statt.

Zufällig fand gleich im Anschluss auch noch eine Diskussion mit der Juso-Landesvorsitzenden & stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Marburg, Sophie Frühwald, und Marburger Genossen im Bürgerhaus Wehrda statt.

Am selben Wochenende besuchte Frau Faeser außerdem das THW in Alsfeld – eine „dienstlicher Termin“, aber auch Teil des „Hessentags“.

Was jedoch kein dienstlicher Termin war: Der angeschlossene Besuch bei der Max-Eyth-Schule gemeinsam mit der SPD Vogelsberg, dem Landrat Manfred Görig und MdB Felix Döring (beide SPD). In einem kurzen Video auf Facebook spricht Faeser mit Döring, sie sagt unter anderem: „Ich halte das für die Entwicklung von Vogelsberg für zwingend und dafür werden wir auch gemeinsam eintreten“. Nach Bundespolitik klingt das nicht.

Dienstbesuch und SPD-Vostandstagung
Am 19./20. November 2022 besuchte Faeser dienstlich die Dauerausstellung zu Adam von Trott, einem Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten, ins Imshausen. Und: Gleichzeitig tagte der SPD-Landesvorstand im Haus der Stiftung. Mit dabei unter anderem: Christoph Degen (MdL, SPD Hessen), Karina Fissmann (MdL SPD Hessen), Günter Rudolph (SPD-Landtagsfraktionsmitglied), Timon Gremmels (MdB SPD), Sophie Frühwald (Juso-Landesvorsitzende).

Zweifelhafte Prioritäten
Das ist nur eine Auswahl der „dienstlichen Termine“, die Faeser uns vor Gericht zunächst verschweigen wollte, sieht man sich die einzelnen Veranstaltungen und vor allem die Veranstaltungen drum herum genauer an, weiß man auch wieso. Faeser hat etliche lokal bedeutsame, aber bundesweit ziemlich unbedeutende Veranstaltungen besucht. Sie war auf jedem gesellschaftlichen Highlight in Hessen – nach Illerkirchberg, wo ein Asylbewerber ein 14-jähriges Mädchen mit einem Messer tötete, schaffte es unsere Innenministerin aber nicht.