
Kommentar
Von Max Mannhart
Mit einer Razzien-Welle geht die Polizei am Mittwoch gegen „Hasskriminalität“ im Netz vor. Mit dem SEK werden Wohnungen von YouTube-Kommentatoren durchsucht. Und die Polizei reißt darüber auf Twitter Witze. Und droht: „…sonst klopft unser LKA demnächst mal bei Ihnen.“
Anscheinend machen Hausdurchsuchungen jetzt richtig Spaß. Diese Euphorie ist beängstigend.
„Klopf, klopf, klopf“ twittert der offizielle Account der Polizei Berlin am Mittwochmorgen. Kurze Zeit später klärt man auf: „Unser Staatsschutz beim LKA vollstreckt aktuell mehrere Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin. Weitere Infos folgen…“
Haha, witzig, eine Hausdurchsuchung – es geht dabei um den achten bundesweiten Aktionstag gegen „Hasspostings“. 91 polizeiliche Maßnahmen in 14 Bundesländern – alles wegen Hass im Netz. Seit wann „Hass“ eigentlich eine Straftat ist, sei mal dahin gestellt.
Es geht bei den Durchsuchungen nicht nur um rassistische Pöbeleien, wie den Post eines 72-Jährigen, in dem es heißt man solle „alle Moslem kastrieren und sterilisieren“.
Auch Posts wie „Du dreckiger hurensohn an alle aus 040 fickt deren Gesicht“ werden in Berlin am Mittwoch mit einer Beschlagnahmung begegnet. Oder auch der Post unter einem YouTube-Video: „Für 500 pro Kopf breche ich Nasen“.
Ob der Post tatsächlich das Angebot für einen Auftrags-Nasenbrecher ist oder eine scherzhafte Pöbelei – das bleibt zunächst offen. Dennoch geht die Polizei dagegen vor – und zwar nicht per Post, sondern per Hausdurchsuchung. Oder wie die Polizei Berlin sagt: „Klopf, Klopf, Klopf“.
SEK gegen Wortverbrechen
Wenn Jan Böhmermann Fahndungsfotos im RAF-Style von seinen politischen Gegnern veröffentlicht ist das natürlich Satire. Wenn der normale Nutzer im Netz so etwas statt über Springer-Journalisten über Drosten oder Wieler posten würden, klopft die Polizei bei ihm an. Und zwar teilweise mit dem SEK und sechs Beamten oder mehr.
Und man hat auch noch Freude dabei. Die Berliner Polizei twittert zu ihrem Einsatz: „,Die Würde des Menschen ist unantastbar´ – auch im Netz, sonst klopft unser LKA demnächst mal bei Ihnen.“
Das alles klingt sehr vertrauenserweckend: Diese locker flockigen Hausdurchsucher von der Berliner Polizei.
Ich selbst bekam einmal Post von der Staatsanwaltschaft – nicht etwa, weil ich Hassrede begangen hätte. Nein: Ein anonymer Nutzer hatte einen völlig unverdächtigen Satz in die Kommentarzeile unseres Jugendmagazins Apollo News geschrieben. Die Staatsanwaltschaft vermutete, das wäre der gleiche Nutzer gewesen, der in einer völlig anderen Telegram-Gruppe (von dir ich nie gehört hatte) ein eventuell strafwidriges Posting abgesetzt hatte, das ganz in die Richtung von dem ging, was Jan Böhmermann twitterte.
Ich wurde zur Herausgabe aller Daten über diesen Nutzer – nicht etwa gebeten – sondern aufgefordert. Und zwar unter Androhung einer Durchsuchung.
Das ist das absurde Ausmaß des Kampfes gegen „Hasskriminalität“. Während in Berlin Polizisten für den Kampf gegen die linksradikale Szene oder Clankriminalität fehlen, verwendet man SEK-Einheiten dafür, Postings im Netz nachzugehen. Aber man tut das nicht nur still und heimlich, man glorifiziert die Brechstange. Mit lustigen Tweets und einem klar auf PR-Erfolge ausgelegten „Aktionstag“ bejubelt man sich selbst – und die polizeiliche Brutalität beim Vorgehen gegen Worte.
Dass man Volksverhetzung und Beleidigungen ahndet ist das Eine. Dass man dafür Hausdurchsuchungen braucht das Andere. Dass man beim Kampf gegen Worte aber nicht mal den Hauch von Bedenken zeigt, sondern euphorisiert darüber Witz reißt – das sagt viel aus.
Und das ausgerechnet unter dem Jubel von Links. Während man sonst eigentlich unbegrenzt Mitleid mit den armen Steineschmeißern von der Berliner linksautonomen Szene zeigt und sich am liebsten über Polizeigewalt aufregt.
Die Liebe zum Prügeln
Gerade über Corona hat sich die Stimmung gewandelt. Da hört man dann auf einmal Sätze wie diesen von der Grünen-Politikerin Saskia Weishaupt: „Die Taktik von den Querdenker:innen ist es, sich Stück für Stück die Straße zu erkämpfen. Polizei muss handeln und im Zweifelsfall Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen. Wir dürfen ihnen keinen Millimeter überlassen!“ Oder Aussagen wie die von der Schauspielerin Heidelinde Weis, dass Corona-Demonstranten „zu prügeln“ sein. Der rbb-Journalist Olaf Sundermeyer sagte bei den Corona-Demonstrationen in Berlin vor der Kulisse von sprühenden Wasserwerfern in die Kamera: „Das Problem ist, dass Kinder unter den Demonstrierenden sind, auch in erster Reihe und die Wasserwerfer deswegen nicht die Menschenmenge mit Hochdruck auseinandertreiben kann.“
Schade – so klingt es.
Über Corona hat sich in der deutschen Linken eine echte Lust am Prügeln, Treiben, Abriegeln, Auflösen und Wegsperren entwickelt. Durch das Gefühl der absoluten eigenen moralischen Überlegenheit lässt sie alle Hemmungen fallen – und genau das führt in die bizarre, linke Begeisterung für rabiate Polizeimaßnahmen.