
Kommentar von Max Roland
Insbesondere die Grünen schimpfen gerne über den „alten, weißen Mann“, der den Fortschritt in der Gesellschaft behindere. Dabei müsste man den Spieß umdrehen – denn es sind grüne Altpolitiker jenseits der 60, die mit Ideen von gestern Fortschritt und Wohlstand gefährden.
Der „alte weiße Mann“ ist allgegenwärtig. Er ist das liebste Feindbild aller derjenigen, die gerne für sich beanspruchen „fortschrittlich“ und „modern“ zu sein. Der alte, weiße Mann: Das soll in den Augen der woken Blase der sein, der den gesellschaftlichen Wandel belächelt. Der, der mit seinem Festhalten an alten, angeblich aus der Zeit gefallenen Glaubenssätzen das Vorankommen der Gesellschaft behindert. Er gilt als die Inkarnation des Ewiggestrigen. Über „alte weiße Männer“ werden ganze Bücher verfasst. Sie sind ein Feindbild, welches sich im Sprachgebrauch längst verselbständigt hat.
Nun liegt es mir fern, in die stumpfe Dresche gegen alte weiße Männer mit einzusteigen. Dass ich dieser Bevölkerungsgruppe, die unser Land vielleicht nicht aufgebaut, aber weiterentwickelt und stark gemacht hat, viel verdanke: Soviel Demut habe ich. Aber ich komme in den letzten Wochen nicht umher, festzustellen, dass an der definierten Problemstellung irgendwo doch etwas dran ist: Alte Leute, die an überholten Glaubenssätzen festhalten und unfähig sind, sich den Realitäten anzupassen, dominieren aktuell die Politik in unserem Land.
Politik, die aus der Zeit gefallen ist
Damit sind nicht irgendwelche Männer jenseits der 60 Jahre gemeint, die noch immer vom „Negerkuss“ sprechen oder das ganze LGBT-Thema nicht ganz verstanden haben. Ich denke an eine ganz spezielle Gruppe von älteren Menschen, die aktuell weit mehr Einfluss ausübt, als ihr rechnerisch eigentlich zustehen würde – und mit diesem Einfluss alles dafür tut, ihre eigenen Überzeugungen von vorgestern umzusetzen. Ältere Leute wie Jürgen Trittin. Trittin, Jahrgang 1954, ist 68 Jahre alt. Sehr zum Nachteil Deutschlands denkt er aber gar nicht daran, in Rente zu gehen. Stattdessen sitzt er im Bundestag und klammert sich nicht nur an seinen Abgeordnetenstuhl, sondern auch an seine ideologischen Grundüberzeugungen – wie die des Atomausstiegs.
45 Jahre, so sagt Trittin stolz, hat er für den Atomausstieg gekämpft und alles dafür getan, diese Form der Energieerzeugung zu sabotieren, zu diskreditieren und zu unterminieren. „Wir [haben] in den Regierungen in Niedersachsen und später in Hessen versucht, Atomkraftwerke unrentabel zu machen, indem man die Sicherheitsanforderungen hochschraubt“, gibt Trittin freimütig im Interview mit der Welt zu. Dass die Energieversorgung diesen Winter so gefährdet ist wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik: Daran hat Atomausstiegs-Trittin einen großen Anteil.
Neue Argumente, alte Ziele
Sein ehemaliger Sprecher Michael Schroeren ist auch ein Grüner. Schroeren arbeitete im Bundesumweltministerium, betreibt grünen Aktivismus und ist ein langjähriger Kämpfer für den Atomausstieg. 50 Jahre, so sagt er, habe er für das AKW-Aus gekämpft. „Jetzt, kurz bevor die letzten vom Netz gehen, lass ich mir den Erfolg nicht klauen“, twittert Schroeren – und offenbart damit, was die wahren Beweggründe von alten, weißen Grünen wie ihm sind: Mein Erfolg, mein Lebenswerk, mein Atomausstieg.
Jürgen Trittin war, bevor er bei den Grünen aktiv war, beim maoistischen „Kommunistischen Bund“. Auch der alte, grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann war Maoist. Claudia Roth war früher Managerin der linksradikalen Band „Ton, Steine, Scherben“. Den offenen, ideologischen Bruch haben sie nie vollzogen; fließend haben sie ihre politischen Überzeugungen gewandelt. Doch eine Grundkonstante ist dabei geblieben: Der Hass auf die Konsumgesellschaft, auf den Wohlstand der Marktwirtschaft.
Für diese alte Feindschaft finden sie immer neue Argumente: Früher die Befreiung der Arbeiterklasse, später der Klimawandel. Und mittlerweile sollen wir unseren Wohlstand für den Kampf gegen Putin opfern.
Dass dieses Argument vorgeschoben ist, merkt man schon daran, dass keiner der drei genannten dazu bereit ist für das Wohl der Ukraine den Atomausstieg zu beerdigen.
Es kommt für sie nicht auf die Ukraine an, auch nicht auf den Klimawandel. Es geht ihnen immer noch um die Systemfrage.
Zeit für das politische Altersheim
Dass all das längst aus der Zeit gefallen ist, merken sie gar nicht. Sie sind alte, weiße Grüne, die ihre Ideologie von gestern ins heute tragen. Ihre Ideologie, der Atomausstieg, brachte uns überhaupt erst in die Abhängigkeit von russischem Gas – angeblich „Brückentechnologie“ einer Energiewende, die sich jeden Tag mehr als Energiewende ins Nichts entpuppt. Selbst diese Brücke ins Nichts ist jetzt zusammengebrochen. Die Grünen stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik – und wollen genauso weitermachen wie bisher. Die Politik der alten, weißen Grünen hat nicht die Antworten auf die Fragen der Zeit. Es müsste an den jungen Leuten liegen, diese alten Leute ins politische Altersheim zu schicken.