
Fast drei Jahre Pandemie, ein Landkrieg auf europäischem Boden und explodierende Kosten in fast allen Lebensbereichen hinterlassen ihre Spuren. Wie stark, offenbart die neue Studie Jugend in Deutschland von Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann. Seit 2020 veröffentliche Schnetzer und Hurrelmann halbjährlich die Trendstudie. Sie zeigt seit jeher einen Abwärtstrend. Die Wolken ziehen zu, die Aussichten von jungen Menschen schwinden.
Die größte Sorge der jungen Menschen gilt der Inflation. Ganze 71 Prozent nenne Preissteigerungen als Hauptursache für ihre derzeitige Unsicherheit. Damit ist der Teil jener, die Angst vor der Inflation haben, im Vergleich zum Jahresanfang nochmals gestiegen. Damals waren es nur knapp zwei Drittel. Rund 75 Prozent sorgen sich um die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln. Knapp gefolgt von den finanziellen Auswirkungen der höheren Gas- und Strompreise. Eine nicht kleine Minderheit von 41 Prozent sorgt sich wegen der gestiegenen Mobilitätskosten für den öffentlichen Personenverkehr und den Sprit. 37 Prozent beängstigen die hohen Mieten. Rund ein Viertel aller unter 25-Jährigen sind armutsgefährdet. Im Jahr 2021 waren es ganze 4,18 Millionen junge Menschen. Dies geht aus einem Bericht hervor, welcher alle zwei Jahre aus Statistiken und Studien zusammengetragen wird. Haushalte von Alleinerziehenden haben ein größeres Armutsrisiko.
Die Pandemie hat auch hier die Situation vieler verschlechtert. Ganze 27 Prozent nennen die Pandemie explizit als Grund für ihre wirtschaftliche Situation. Doch auch andere Faktoren belasten derzeit junge Menschen. Bereits der Bericht im März hatte es in sich: Beinahe die Hälfte aller Befragten gab an, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert hat. Besonders die Beziehungen zu Freunden, der Lebensstandard und die körperliche Gesundheit der Befragten hat gelitten. Hinzukommt nun der russische Angriffskrieg in der Ukraine. 64 Prozent haben ihre Erwartungen an die Zukunft deutlich gesenkt. Die Mehrheit sorgt sich vor allem über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges. Doch auch eine erneute Flüchtlingswelle beschäftigt immerhin 44 Prozent. Nur eine Minderheit hat Angst davor, direkt oder indirekt ins Kriegsgeschehen einbezogen zu werden. Im März hatte noch rund ein Viertel Angst davor, längerfristig mit dem Krieg leben zu müssen, selbst zum Militär eingezogen zu werden oder den Einsatz von Atomwaffen zu erleben. Auch jetzt fürchten 14 Prozent den Einsatz von Atomwaffen, das ist knapp jeder Siebte.
Eine Besserung ist nicht im Ausblick. Tatsächlich hat sich neben der psychischen auch die wirtschaftliche Situation vieler junger Menschen verschlechtert. Die Folgen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie wirken sehr wahrscheinlich auch noch nach. Denn selbst wenn sich eine Situation verbessert, bleibt der psychologische Schaden erhalten. Um diesen zu heilen oder zumindest zu verbessern, braucht es jahrelange Therapie. Um eine gesamte Generation zu therapieren, reichen allerdings bei Weitem die Kapazitäten nicht. Bereits zwischen 2020 und 2021 stiegt die Anzahl der Therapieanfragen um 61 Prozent. Dadurch kam es zwischenzeitlich zur Triage in Kinder- und Jugendpsychatrien. Auch die Anzahl jener mit Suizidgedanken ist im Vergleich zum Jahresanfang noch mal gestiegen. Jeder Zehnte berichtet davon.
Für die Studie wurde eine Onlinebefragung im Oktober durchgeführt. Es haben knapp über 1000 Menschen zwischen 14 und 19 Jahren teilgenommen. Die Studie ist repräsentativ. Die Jugend sieht schwarz. Noch nie wurden die Zukunftsaussichten so schlecht eingeschätzt. Deutschland droht eine verlorene Generation.