Seit November letzten Jahres sucht die Bundestagskantine einen neuen Caterer – der bis heute nicht gefunden wurde. Ein Blick in die gestellten Anforderungen verrät warum.

Der Bundestag steht vor einem Problem – einem, das zur Abwechslung nichts mit Russland, Energiekrise oder Corona zu tun hat. Currywurst oder nicht Currywurst, das ist hier die Frage.
Na gut, es ist noch etwas komplexer als das. Im Zentrum der Debatte steht die Bundestagskantine. Das Herz der Deutschen Demokratie sucht einen neuen Catering Service, findet aber keinen. Woran das wohl liegt?
Bio-Quote, CO2-Budget: Die Standards der Parlamentskantine
Grund dafür könnte die lange Liste an Anforderungen sein, die potentiellen Interessenten einen Vorgeschmack gibt, mit was für Menschen man zukünftig täglich auskommen müsste. Wie aus einem Papier hervorgeht, das The Pioneer vorliegt, haben die es in sich. Zum Einstieg: unter einem Anteil an Bio-Produkten von 20 Prozent geht nichts, es wird erwartet, dass dieser im Laufe der Zusammenarbeit stetig gesteigert wird. Mindestens ein Essen am Tag muss zur Auswahl stehen, bei dem „der CO2-Wert von 800g CO2-Äquivalenten pro Portion nicht überschritten wird”. Die Lebensmittel sollen möglichst saisonal gewählt werden, sollen umweltgerecht importiert werden und weder aus beheizten Treibhäusern stammen, noch eingeflogen werden. Ein tägliches „vollwertiges vegetarisches Gericht“ ist absolute Pflicht, ein weiteres veganes Gericht oder zumindest eine vegane Grundkomponente wird erwartet. Wenn überhaupt noch Fleisch, dann aus regionaler Erzeugung, Kaffee und Co. nur aus nachhaltigem und fairen Handel.
Die Gerichte sind „fettarm zuzubereiten“, frittiert werden darf nur noch im Notfall. Wurstsorten dürfen maximal 20 Prozent Fett enthalten, Frischkäse nur in Magerstufe angeboten werden, Salatdressings sind selbst herzustellen. Das Personal ist „regelmäßig auf freundliche Umgangsformen, Kommunikation, Verhalten bei Reklamationen von Gästen sowie zu Nachhaltigkeitsthemen zu schulen” und ein Gericht darf nur nach einem Abstand von sechs Wochen erneut auf die Karte. Das ganze, stellen die Verfasser sich das vor soll zu Preisen angeboten werden, die „ortsübliche Preise nicht überschreiten”. Wer jetzt noch einen Beweis dafür brauchte, dass der Bundestag einem Elfenbeinturm gleichkommt, der findet ihn hier.
Wie verzogene Kinder
Der Streit um das Angebot der Bundestagskantine ist nicht neu. Konkret läuft sie nun schon seit dem November letzten Jahres und ist bis heute unlösbar geblieben. Schlussendlich wurde ein Gremium des Ältestenrates mit dieser Aufgabe betraut, die Liste erarbeitet hat, die Sie nun vor sich haben. Der Versorger Dussmann-Catering hatte damals bekannt gegeben, zum Jahreswechsel zu kündigen – nun, im März, ist noch immer kein Ersatz gefunden. Das liegt natürlich nicht daran, dass man sich in der Politik-Elite aktuell aufführt wie ein verzogenes Kleinkind. Insofern sollten vielleicht einfach Dino-Chickennuggets, Pizza mit Apfelmus und Nudeln mit Ketchup auf die Karte gesetzt werden und fertig ist.
Emsige Anführerin der Kantinen-Revolution ist Renate Künast (Grüne). Bereits im Mai letzten Jahres schrieb sie einen Brief mit Kantinen-„Verbesserungs“vorschlägen an den Bundestagspräsidenten. In der Kündigung von Dussmann-Catering sah sie dann ihre Chance. „Man muss sich vom täglichen Stück Fleisch verabschieden“, sagte sie damals zum Tagesspiegel und forderte, der Bundestag müsse eine Vorbildfunktion übernehmen. Und tatsächlich – wenn die Regierung sich selbst an die Ernährungsvorgaben aus ihrem Ampelkoalitionsvertrag halten sollte, nach denen sie gerade den Kindern die Haribo-Werbung vermiesen will, dann hat sie da noch einen langen Weg vor sich. Fleisch gibt es dann in Kantinen nicht nur nicht mehr täglich, sondern höchstens zweimal die Woche. Auf ihrer Mission der Soyaisierung von allem was schmeckt, kann Künast bereits Erfolge verbuchen. So hat sie in einem der Bistros des Bundestages durchgesetzt, dass eine „überzuckerte“ Eissorte mit künstliche Aromastoffen aus dem Sortiment genommen wurde.
Böse Zungen können hinter diesem Gängeltrip Methode vermuten: Umso fader das Essen, desto tiefer hängen die Mundwinkel und dementsprechend ohne Lebensfreude stimmt man dann für Untergangsfantasien und ähnliches. Man könnte ihr auch Demokratiefeindlichkeit unterstellen: Ob der Bundestag ohne Currywurst überhaupt noch beschlussfähig ist, muss sich erst noch herausstellen. Denn das ist das nächste Problem: im Kantinenstreit geht es um die Wurst. Damals, in der guten alten Zeit, als man im Bundestag noch Vaterlandsliebe hochhielt, gab es nämlich noch täglich Currywurst, in vier verschieden Varianten. Einige Abgeordneten behaupten, dabei habe es sich um die beste Currywurst des Landes gehandelt. Zuletzt war die Currywurst im Gespräch als Friedrich Merz es wagte, dieses Foto auf Twitter zu posten:
Kein Wunder, dass die CDU sich aktuell als würdige Opposition versteht – warum die scharfen inhaltlichen Geschosse auffahren, wenn man auch von der Mittagspause aus schon für Furore sorgen kann. Bis jetzt. In Zukunft könnte sich das ändern – sollte sich tatsächlich einen Catering-Service finden, der verzweifelt genug ist, sich den Forderungen des Ältestenrat-Gremiums zu unterwerfen. Wenn dann alle die gleichen Sellerieschnitzel mit Zucchini-Nudeln und vielleicht noch Käferbeilage vorgesetzt bekommen, wird man vielleicht auch in der CDU merken, dass man Opposition nicht essen kann.