Pleiteticker-Kommentar
von Max Roland

DFB-Kapitän Manuel Neuer wird bei den WM-Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar nun doch nicht mit der „OneLove“-Kapitänsbinde auflaufen. Die deutsche Mannschaft will für Menschenrechte keine gelbe Karte riskieren – und offenbart, wie wohlfeil und hohl ihr Heuchel-Aktivismus von Anfang an war.
DFB-Kapitän Manuel Neuer wird bei den WM-Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar nun doch nicht mit der „OneLove“-Kapitänsbinde auflaufen. Eigentlich wollte die deutsche Mannschaft, gemeinsam mit mehreren europäischen Mannschaften, durch die bunte Binde „Zeichen setzen“. „Die Binde setzt genau da an, worum es uns geht“, sagte DFB-Präsident Bernd Nollendorf Ich habe es immer verteidigt: Es geht um Menschenrechte, einen Kampf gegen Rassismus, und für Frauenrechte“.
Doch aus diesem Zeichen wird nichts mehr. Nachdem die FIFA den Kapitänen für das Tragen einer solchen „OneLove“-Binde gelbe Karten und sogar Punktabzüge für die Teams angedroht hatte, entschieden sich die Mannschaften aus Deutschland, England, Wales, den Niederlanden, Dänemark, Belgien und der Schweiz gegen die symbolische Binde.
Er habe keine Angst vor möglichen Konsequenzen, tönte Neuer noch vor kurzem. „Wir haben die Rückendeckung des DFB, wir haben keine Angst.“ Jetzt knicken die Teams ein – und lassen ihren Protest zuhause. Ausgerechnet bei einem Turnier, bei dem er wirklich einmal angemessen gewesen wäre.
„Virtue Signaling“, zu deutsch wörtlich „Tugendsignalisierung“: Das ist das Zurschaustellen geheuchelter, moralischer Werte. Während die deutsche Mannschaft sportlich seit 2014 höchstens mittelmäßig ablieferte, ist sie beim „Virtue Signaling“ jedes Jahr Titelfavorit. Beim deutschen EM-Eröffnungsspiel gegen Ungarn strahlte der DFB den Austragungsort Allianz-Arena in Regenbogenfarben an, Kapitän Manuel Neuer bestritt das ganze Turnier mit Regenbogen-Binde. Nationalspieler Leon Goretzka feierte sein Tor gegen die ungarische Mannschaft mit einem provokativen Herz in Richtung der Ungarn-Fans. Damals war das einfach – moralische Gesten funktionieren am leichtesten, wenn man für sie keine Konsequenzen befürchten muss. Doch eine gelbe Karte? Das ist scheinbar zu viel Risiko für Manuel Neuer und den DFB – soviel sind Frauenrechte, LGBT-Rechte und Menschenrechte generell dem Nationaltorhüter und seinem Verband dann doch nicht wert.
Zum Vergleich: Ungarn erließ damals streitbare Gesetze, die die Behandlung von Homosexualität im Schulunterricht einschränkten. Das provozierte eine regelrechte Regenbogen-Parade seitens des DFB. In einem Land wie Katar jedoch, in dem Homosexualität als „geistige Störung“ bezeichnet wird und Homosexuelle mit bis zu fünf Jahren Haft und Folterstrafen belegt werden, knickt das deutsche Team ein.
Wären den Fußballteams und -verbänden Menschenrechte und die Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen so wichtig, wie sie es vorgeben, wären sie gar nicht erst zu dieser WM gefahren. Denn dass Katar ein moderner Sklavenstaat ist, der Frauen diskriminiert und sexuelle Minderheiten einkerkert, wissen wir nicht erst seit diesem Jahr. Dieser rückständige Steinzeit-Staat, in dem nur die Architektur modern ist, hätte die WM nie ausrichten dürfen – und jeder Spieler, der sich ernsthaft um Menschenrechte schert, hätte seine Teilnahme schon vor Jahren ausschließen müssen. Stattdessen endet jetzt ein Virtue-Signaling-Spektakel, das ohnehin nie echt war. Das würdelose Ende einer würdelosen Aktion offenbart, wie heuchlerisch, hohl und wohlfeil der deutsche Fußball-Aktivismus von Anfang an war.