Wir alle wissen, dass es schlecht für Kinder ist, auf Bildschirme zu starren. Und trotzdem schaffen es viele Eltern nicht, sie konsequent davon fernzuhalten. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Corona hat alles noch viel schlimmer gemacht! Ein Bekenntnis.

Es klappt immer und wirkt von einer Sekunde auf die andere: Nichts auf der Welt verwandelt laute, überdrehte Kinder so zuverlässig in ruhige, bedürfnislose Wesen wie die gute alte Bildschirm-Hypnose. Vor dem PC oder mit dem Tablet in der Hand wollen die Kleinen plötzlich nichts mehr essen und trinken, nichts mehr wissen und erzählen, keine Kissenburgen bauen oder in Pfützen springen – sie wollen einfach nur noch glotzen. Dabei sind sie sehr, sehr still – und das ist für Eltern, die zuhause arbeiten müssen sehr, sehr angenehm.
Corona und Home-Office sei Dank durften diese Erfahrung in den vergangenen drei Jahren vermutlich um die 95 Prozent aller arbeitenden Eltern machen. Und da die Display-Methode beide Seiten hochgradig süchtig macht, struggeln große Teile der post-pandemischen Elternschaft bis heute mit chronisch schlechtem Gewissen wegen regelmäßigen Glotzenlassens.
Studien, die schlechtes Gewissen machen
Dass Bildschirm-Unterhaltung – ob nun 1,5 oder 4 oder noch mehr Stunden am Tag – nicht besonders förderlich für die Entwicklung von Kindern ist, wussten die meisten Eltern natürlich schon vor Corona. Vor ein paar Tagen wurde mal wieder Studie veröffentlicht, die besagt, dass zu viel Bildschirmzeit im Kleinkindalter schlechtere schulische Leistungen und weniger Organisationsfähigkeit im Erwachsenenalter nach sich zieht. Ja, okay. Schönen Dank auch. Im Grunde werden alle paar Monate irgendwelche Untersuchungen veröffentlicht, die bestätigen, dass Eltern die verdammte Glotze besser auslassen sollten.
Könnte vielleicht auch mal jemand eine Studie dazu veröffentlichen, dass es für berufstätige Eltern während der Corona-Zeit gar nicht anders ging, auf den Fernseher als Babysitter zurückzugreifen? Homeoffice, ständige Isolationspflicht, weil die Tante der Schwester der Nachbarin von irgendwem mal wieder positiv getestet wurde, ließen einem oft keine andere Wahl. Denn nur die wenigsten Kinder haben die Fähigkeit, sich stundenlang mit sich selbst zu beschäftigen, die meisten brauchen zwischendurch auch mal Ansprache, Resonanz – oder eben Entertainment.
Kind guckt Serie, Mama sitzt daneben und arbeitet
Nichts davon kann man ihnen geben, wenn man in Online-Konferenzen festsitzt und arbeiten – Geld verdienen! – muss. Bei uns zuhause entstanden dann schon mal Situationen, die vermutlich als abschreckendes Lehrbild für sämtliche pädagogische Seminare herhalten könnten, würde man sie auf einem Foto einfangen: Kind schaut am Laptop Serien, während die Mama daneben sitzt und am anderen Laptop Texte schreibt. Und das auch mal gerne länger als eine Stunde.
Inzwischen gibt es all diese Ausnahmesituationen, in die uns Corona-Maßnahmen gezwungen haben, nicht mehr. Ich bin ehrlich: Die Sache mit dem Laptop hat sich auch bei uns inzwischen verfestigt. Wenn ich zuhause etwas arbeiten muss, dann ist der erste Reflex meiner Tochter: „Darf ich eine Serie schauen?“ Und ziemlich oft lasse ich sie.
Weil ich meine Ruhe will und es bequemer ist, als sich das Gejammer anzuhören. Immerhin überwiegt bei mir aber nach einiger Zeit das schlechte Gewissen, und der Anblick meines weggetretenen Kindes macht mich so betroffen, dass ich spätestens nach den dritten „wirklich allerallerletzten fünf Minuten“ durchgreife, den Laptop zuklappe und sich mein Kind vom passiven Fernseh-Zombie wieder in einen fröhlich umher hüpfenden Flummi zurück verwandelt.