
Pleiteticker-Kommentar
Von Max Roland
Erneut werden in Berlin Straßen politisch korrekt umbenannt: Im Stadtteil Wedding erinnern viele Straßennamen im sogenannten Afrika-Viertel an die Kolonialvergangenheit. Das ist nicht mehr Zeitgemäß, befinden SPD und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung. Nun sollen ein Platz und eine Straße neue Namen bekommen.
Aus dem bisherigen Nachtigalplatz wird der Manga-Bell-Platz. Er erhalte den Namen zu Ehren eines Königspaars, das gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Kamerun gekämpft habe, hieß es. Die Lüderitzstraße wird künftig nach Cornelius Fredericks benannt, einem Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia. Die Umbenennungen sollen am Freitag in einer Zeremonie offiziell werden, bei denen auch die Botschafter Kameruns und Namibias eingeladen sind.
Der postkoloniale Zeitgeist schlägt wieder durch: Bereits seit Jahren gab es Debatten um Namen wie den der Lüderitzstraße oder des Nachtigalplatzes. Sie würden koloniales Unrecht glorifizieren, heißt es. „Straßennamen sind Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur“, sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu tilgen, die mit Verbrechen des deutschen Kolonialismus im Zusammenhang stehen. Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal waren deutsche Kolonialpioniere in Kamerun und im heutigen Namibia. Lüderitz, ein Kaufmann aus der Hansestadt Bremen, sicherte sich mit betrügerischen Methoden Landrechte am Oranje-Fluss, aus denen später die Kolonie Deutsch-Südwestafrika erwachsen sollte.
Gustav Nachtigal sicherte als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika die Besitzungen vieler hanseatischer Kaufleute, unter anderem Adolf Lüderitz und Adolph Woermann, und überführte diese schließlich in den Status von Reichskolonien. Beides sind streitbare Persönlichkeiten. Doch der postkoloniale Wahn ordnet diese Herren nicht ein, sondern tilgt sie aus den Straßen unserer Städte: Auch in Bremen, Heimat von Adolf Lüderitz wird eine nach ihm benannte Straße heiß und kontrovers diskutiert.
Was von postkolonialer Selbstgerechtigkeit erfüllte Deutsche nur vergessen: In Ländern wie Namibia selbst geht man deutlich differenzierter mit dem kolonialen Erbe um, welches die Deutschen hinterlassen haben. Während insbesondere Herero und Nama, zwei von den deutschen Kolonialherren in massen ermordete Volksgruppen, sich den negativen Aspekten deutscher Herrschaft schmerzlich bewusst sind, werden die Kolonialisten dort nicht derart verteufelt – bis heute trägt die Stadt Lüderitz den Namen des Kolonialisten.
Offenbar befinden die Namibier es nicht für nötig, den Namen zu „canceln“ – wobei sie doch selbst von Lüderitz’ Betrug oder den Gräueltaten des Generals Lothar von Trotha, der den Massenmord an den Aufständischen Herero verantwortete, betroffen waren. Versuche, die Stadt umzubenennen, stießen immer wieder auf Protest von Vertretern aller Volksgruppen. Viele Bewohner der Stadt legen weiter großen Wert auf den deutschen Namen ihrer Stadt. Will die Bezirksverordnetenversammlung aus Mitte den Afrikanern jetzt auch erklären, wie sie mit unserem gemeinsamen Erbe umzugehen haben? Hoffentlich nicht – das wäre in der Tat eine neokoloniale Attitüde wie aus dem Lehrbuch.