Nach dem Mord an mehreren Kurden aus mutmaßlich rassistischen Motiven kam es zu tagelangen Ausschreitungen in Frankreich. Die Staatsanwaltschaft geht sicher von einem rassistischen Täter aus – kurdische Verbände vermuten etwas anderes.

Französische Städte brannten – nach einem Terroranschlag auf ein kurdisches Gemeindezentrum, bei dem drei Menschen starben, ist das Land in Aufruhr. Am 23. Dezember hatte ein Mann das Feuer eröffnet. Ein 69 Jahre alter Franzose wurde festgenommen. Die Justiz ermittelt gegen ihn wegen vorsätzlicher Tötung und schwerer Gewalt mit rassistischem Motiv. Der Mann habe seit einem Einbruch vor sechs Jahren „immer Lust gehabt, Migranten beziehungsweise Ausländer zu töten“, erklärte die Staatsanwaltschaft. Er befindet sich mittlerweile in einer Psychatrie. Die kurdische Gemeinde in Paris zeigt derweil auf den türkischen Staatspräsidenten Erdogan – der kurdische Dachverband „Demokratischer Kurdischer Rat in Frankreich“ (CDK-F) sieht den Angriff als „terroristische Attacke“, zu der es nach zahlreichen türkischen Drohungen gekommen sei. Bei den Toten handelt es sich laut dem CDK-F um kurdische Aktivisten.

Nach der Tat kam es landesweit zu teils massiven Ausschreitungen durch kurdische Krawallmacher. In Paris hatten hunderte Kurden zunächst friedlich gegen den Anschlag demonstriert – doch dann brach sich eine Welle der Gewalt bahn. Laut dem französischen Nachrichtensender „BFMTV“ hatten Ordner der Kundgebung noch versucht, die Unruhestifter zur Vernunft zu bringen – vergeblich. Randalierer begannen, die Polizei mit Wurfgeschossen und wohl auch Pyrotechnik zu attackieren. Straßenbarrikaden wurden errichtet und angezündet, Autos und Mülltonnen in Brand gesteckt. Bushaltestellen, Theater und Geschäfte, selbst Bäume wurden Ziel von Vandalismus und Zerstörungswut. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die Polizei Tränengas einsetzte. Mehrere Beamten wurden verletzt. Der Chef der Pariser Polizei berichtete von elf Festnahmen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen.

Auch in Marseille gingen Kurden auf die Straße. Hier kam es ebenfalls zu Zusammenstößen mit der Polizei. Streifenwagen wurden angezündet, Objekte wie Bushaltestellen demoliert. All das, wie in Paris immer wieder unter Flaggen von Milizen wie der YPG oder Terrorgruppen wie der verbotenen PKK.


Kurden beschuldigen die Türkei
Der CDK-F sei der Meinung, dass der türkische Staat und dessen Präsident Recep Tayyip Erdogan hinter den Morden steckten, erklärte der Chef des kurdischen Rates, Agit Polat. Fast auf den Tag zehn Jahre genau vor dem Anschlag, am 9. Januar 2013, waren im selben Pariser Viertel drei kurdische PKK-Aktivisten ermordet worden. Den bis heute andauernden Ermittlungen der französischen Justiz zufolge waren Mitglieder des türkischen Geheimdienstes an der Tat beteiligt. Nach Informationen des in Berlin ansässigen Kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit fand zum Zeitpunkt der Tat in dem Pariser Kurdenzentrum ein Vorbereitungstreffen für eine Demonstration zum Jahrestag des Mordes statt.
Auch die Identität der Opfer gibt den kurdischen Gruppen Anlass zur Spekulation: Eines der Opfer ist Emine Kara. Karawar die Chefin der kurdischen Frauenbewegung in Frankreich. Sie kämpfte schon unter Waffen gegen den islamischen Staat und wird von der französischen Zeitung Le Monde als „Heldin“ der kurdischen Nationalbewegung bezeichnet. Sie war Teil der Terrororganisation PKK. Das nährt Spekulationen, dass es sich hier um einen gezielten Anschlag gehandelt haben könnte. Bewiesen ist jedoch nichts – und die französische Polizei geht nicht von einem Auftragsmord aus.