Sars-Cov-2 ist ein Virus mit seltsamen Eigenschaften. In Restaurants zirkulierte es lange Zeit nur ab einer Höhe von etwa 1,50 Meter. In Flugzeugen verlor es seine Bedrohlichkeit von heute auf morgen, blieb in deutschen Fernzügen aber weiter brandgefährlich. Seit heute ist das anders. Endlich kann man auch bei uns wieder ohne Angst mit dem ICE fahren! – Doch ich saß gestern im Zug… Eine Reise.

Ich stehe im ICE und ärgere mich. Es ist Mittwoch, der 1. Februar 2023, und hätte ich meine Fahrt um einen Tag verschieben können, müsste ich mich jetzt nicht der Gefahr aussetzen, mich mit dem Corona-Virus anzustecken. Ging aber nicht. Ab morgen, das ist bekannt, verliert das Virus seine Gefährlichkeit in Fernzügen. Heute könnte es mich noch treffen – ich kann also nur hoffen, dass ich es bis ins sichere Bayern schaffe, wo das Virus nicht mal mehr in der U-Bahn Schaden anrichtet, und man deshalb schon seit Wochen maskenfrei fahren darf.
Warum Sars-Cov-2 heute noch in Fernzügen der Bahn zirkuliert, morgen aber nicht mehr, ist eine komplizierte Angelegenheit, die wir Normalsterblichen nicht verstehen müssen. Ich weiß nur, dass schlaue Wissenschaftler schon vor vielen Wochen herausfanden, dass die Gefahr zum Stichtag 2. Februar vorüber sein wird. Ich vertraue darauf.
Auch am letzten Tag gilt: nicht hinterfragen!
Wie bei allen anderen Corona-Regeln der letzten drei Jahre gilt für mich auch hier das Wort unseres obersten Seuchenschützers, RKI-Chef und Tierarzt Lothar H. Wieler, der einst über die Maßnahmen sagte: „Diese dürfen NIE infrage gestellt werden.”
Also setze ich mich ohne zu hinterfragen auf einen der blauen Polsterplätze und beobachte meine Mitreisenden. Viele von ihnen sind tatsächlich schon heute ohne Maske unterwegs. “Waghalsig!”, denke ich und nehmen einen Schluck aus meiner Wasserflasche (während man trinkt, ist das Virus auch ungefährlich, ebenso wie im Bordbistro). Ich stelle mir vor, wie sich die Maskenlosen gerade jetzt anstecken, am letzten Tag vor der ungefährlichen Zeit, und sich dann morgen ärgern, weil sie sich nicht noch ein einziges Mal zusammenreißen konnten.
Pfeile auf dem Boden schützten uns
Über lange Zeit hinweg zirkulierte das Sars-Cov-2-Virus in deutschen Restaurants ausschließlich ab einer Höhe von 1,50 Metern. Wir also mit FFP2-Schnabel in die Gaststätte, hinsetzen, Maske ab, dann wieder Maske auf, aufs Klo, zurück, hinsetzen, Maske ab, wieder Maske auf, raus. Auf diese Weise entgingen wir einer Infektion. Auch in Baumärkten hatte das Virus spezielle Ausbreitungseigenschaften, weswegen das Personal emsig Pfeile auf den Boden malte, die uns den sichersten Weg wiesen. Eines Tages wurde Covid-19 dann plötzlich in unseren Nachbarländern harmlos, während es in Deutschland gefährlich blieb, weshalb wir bei Grenzüberfahrten mit dem Zug eine Maske aufsetzen mussten.
Als ich angekommen bin, hieve ich meinen Koffer erleichtert aus dem Zug und will meine Maske abnehmen. Da fällt mir auf, dass ich gar keine getragen habe! Jetzt kann mich nur noch die Zeitverschiebung retten. Meine Augen suchen eine Uhr, es ist sieben. Falls das Virus nach der Zeit seines Herkunftslandes China operiert, bin ich in Sicherheit. Dort ist es bereits nach Mitternacht.