
Pleiteticker-Kommentar
Von Sebastian Thormann
Nach einer Online-Abstimmung des neuen Twitter-Eigentümers Elon Musk, in der sich eine Mehrheit für die Rückkehr von Ex-Präsident Trump auf Twitter aussprach, hielt Musk sein Wort und ließ in der Nacht auf den Sonntag die Sperrung von Trumps Account aufheben. Obwohl Trump darauf beharrt bei seiner alternativen Plattform „Truth Social“ zu bleiben und seitdem keinen neuen Tweet abgesetzt hat ist die Aufregung jetzt schon groß.
Trumps reine Präsenz auf Twitter sei angeblich eine Gefahr für die Demokratie. Manch einer, besonders gerne einige gerade empfindlichen Journalisten, sprechen schon in großen Tönen über den Wechsel zu Mastodon, jener Twitter-Alternative die wohl als linkes Gegenstück zu rechten Alternativplattformen a la „Truth Social“ sein soll, selbst aber für die meisten Nutzer so kompliziert ist, wie von Windows zu Linux zu wechseln.
Bemerkenswert ist, dass viele dieser Kritiker gerade so tun als wäre Trumps erzwungene Abwesenheit von Twitter praktisch Konsens gewesen. Seine Rückkehr mache Twitter nun zur „Hetzplattform“ schreibt manch einer – freilich allesamt auf Twitter, dieser nun so schlimmen Plattform, der man den Rücken kehren will, aber sich wohl doch noch nicht so richtig durchgerungen hat. War die Plattform also all die Jahre seit 2009 eine Hetzplattform, weil sich dort auch Trump tummelte und täglich seine Meinung zu Diet Cokes, „Little Rocket Man“ aus Nordkorea und Stimmzetteln in Pennsylvania abgab? Natürlich nicht.
Trumps Tweets sind mal lustig, mal bizarr bis hin zu komplett irre. Das weiß inzwischen so ziemlich jeder, der ihn auf Twitter beobachten konnte. Er selbst soll einmal gesagt haben, ein guter Tweet hätte „genau die richtige Menge Verrücktsein“. Aber man muss Trump nicht mögen – bekennender DeSantis-Unterstützer Elon Musk tut es wohl kaum – um auch sein Recht auf digitale Meinungsfreiheit anzuerkennen.
Vielleicht eine der letzten Persönlichkeiten von der man es erwarten würde, hat bei seiner Verbannung von Twitter genau darauf gepocht: Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte damals die Sperrung des amtierenden US-Präsidenten als Eingriff in die Meinungsfreiheit, die von „elementarer Bedeutung“ sei. Solch eine weitreiche Einschränkung dieser Freiheit dürfe nicht „nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen“ fallen. Und doch geschah genau das – und Musk macht nichts anderes als das rückgängig.
Für all die jetzige Kritik am „Tech-Oligarchen“ Elon Musk, war es damals von den gleichen Leuten oft bemerkenswert still als Accounts wie der von Trump verbannt wurden. Und das Argument, Trumps Verbannung von Twitter sei zur Verhinderung von Gewaltaufrufe geschehen, ist auch mehr als fragwürdig, wenn man bedenkt, dass er erst Tage nach dem Sturm auf das Kapitol verbannt wurde und nachdem er schließlich eine friedliche Amtsübergabe an Joe Biden versprach.
Am Ende des Tages dreht sich die Debatte um einen ganz einfachen Punkt: Gesteht man Menschen mit einer anderen Meinung zu diese zu äußern – auch digital – oder nicht? Musk tut es. Für viele seine hysterischen Kritiker ist diese Vorstellung der größte Albtraum.