
Politik ist Panik – das gilt spätestens seit dem ersten Lockdown. Die Angst vor der ultimativen Katastrophe dominiert die politische Debatte in diesem Land vollständig – sei das beim angeblichen Klima-Armageddon oder eben bei der vermeintlich so tödlichen Seuche aus Wuhan. Und auch Olaf Scholz machte seine Ukraine-Politik lange vor allem abhängig von möglichen phantasierten Atomreaktionen von Wladimir Putin. Fast jede Talkshow besteht aus teils absurden küchenpsychologischen Ausflügen in den Kopf von Putin und der Frage, wann er wie unter welchen Umständen er den Atomknopf drückt und durch welche abstrusen Zeichen wir das in der Welt von Putin verhindern können sollen.
Jetzt sollen deutsche Kampfpanzer in die Ukraine kommen, wenn Amerika auch liefert – damit man bloß nicht im Rampenlicht europäischer Politik steht. Warum Deutschland als größtes europäisches Land keine Verantwortung übernehmen sollte, sondern die Vereinigten Staaten, die parallel den mindestens genauso komplexen Konflikt im Pazifik zu bewältigen haben, bleibt fraglich.
Aber besser spät als gar nicht: Es ist ein Symbol, ein Zeichen – und immerhin werden damit nun auch die Lieferung von Leopard-Panzern aus anderen europäischen Staaten möglich. Deutschland hat seine Blockade aufgegeben. Richtig so!
Reflex aus der Corona-Zeit: Panik first
Es überwiegt bei vielen ein Reflex aus der Corona-Zeit: Sobald das absolute Schreckensszenario im Raum steht, versagen alle logischen Argumente. Die absolute Katastrophe einer nuklearen Option überwiegt natürlich sofort alle Argumente und führt dazu, dass sich viele instinktiv auf den Rücken werfen wollen. Es ist der gleiche Reflex, der dazu geführt hat, ein ganzes Land in den Lockdown zu schicken, weil ein tödliches Virus kursierte.
Und natürlich hat Angst ihre Berechtigung. Aber die Argumentation, die man auf Angst aufbaut, löst sich dadurch auf, dass man sie zu Ende denkt: Wenn man wegen jedem tödlichen Virus ein Land einfriert, wird man es nie wieder aufmachen können. Und wenn man die Konsequenzen aus einer russischen Niederlage fürchtet, dann bleibt zu Ende gedacht nur die Kapitulation der Ukraine.
Es ist die Abwägung des Unendlichen – des unendlichen Grauens – die das menschliche Gehirn nicht darstellen kann. Genau darauf basiert die Panik-Politik – sie triggert, dass im Angesicht der Angst alles möglich wird. Genau diese Fähigkeit zur Abwägung aber ist einer der wesentlichen Fortschritte der Aufklärung, diese Abwägung im Angesicht der Katastrophe muss wieder möglich sein. Auch das macht Demokratie erst möglich.
Wer sich dem Wahnsinn unterwirft, wird selber wahnsinnig
Natürlich werden 14 deutsche Leopard-Panzer zusätzlich zu den bis zu 40 Mardern nicht dazu führen, dass Putin den Atomknopf drückt. Es sei denn, Putin ist völlig wahnsinnig. Und dann? Wer sich dem Wahnsinn unterwirft, wird selber wahnsinnig.
Und bis wann lähmen wir uns dann selbst – bis Putin nach Polen greift oder nach Brandenburg?
Diese küchenpsychologischen hypothetischen Gedankenexperimente sind am Ende vor allem eines: Bullshit. Das Desaster der Panik-Politik bei Corona sollte uns zwei Sachen lehren:
1. Lasst uns auf der Basis von Vernunft diskutieren, nicht jeder der Panzer liefert ist ein Kriegshetzer, nicht jeder der zögert ist Putin-Freund. Es muss ein vernünftiges Abwägen wieder möglich sein und eine bürgerliche Debatte.
2. Angst allein ist kein Argument – und das Argument wird auch nicht durch ein immer größeres Schreckensszenario größer.
Und zum Schluss schadet es auch nicht, in die Geschichte zu schauen: Die erfolgreiche Politik im kalten Krieg lag am Ende der in der mutigen und unbeirrten Vernunft des Ronald Reagan – mitgetragen damals auch von Helmut Schmidt.
Und es war auch ein SPD-Mann, der einmal treffend für Berlin beschrieb, was auch heute für die Ukraine gilt: Es war Berlins legendärere Bürgermeister Ernst Reuter, der im Juni 1948 als die Stadt von der Sowjetunion vollständig abgeriegelt wurde, rief: „Völker der Welt schaut auf diese Stadt“. Nicht aus Mitleid, sondern weil es in ihrem eigenen Interesse sei, sollten die westlichen Staaten Berlin als „Vorposten der Freiheit“ schützen. Es folgte mit der Berliner Luftbrücke ein gigantisches, mutiges, vernünftiges Hilfsprogramm, allen wahnsinnigen stalin’schen Drohungen zum Trotz. Auch deshalb leben wir heute in Freiheit.
Für die Ukraine gilt die gleiche Pflicht. Schauen wir auf Kiew. Nicht aus einem moralischen Mega-Impetus der Rettung der Welt heraus, sondern weil der Sieg der Ukraine deutsches Interesse ist. So früher man die Feinde der Freiheit stoppt, desto besser – denn es wird nicht einfacher, indem man zögert.
Wir müssen der Ukraine helfen, um unsere eigene Freiheit zu erhalten – meiner Meinung nach mit allen konventionellen Rüstungsgütern, die zur Verfügung stehen.