Ein Seniorenheim in Berlin wird zum Brennpunkt und Sinnbild der aktuellen Migrationskrise: 110 Bewohner werden vor die Tür gesetzt – damit Flüchtlinge einziehen können. Pleiteticker.de war vor Ort und hat mit Angehörigen, Anwohnern und Pflegern gesprochen.
Von Max Roland und Pauline Schwarz.
Rund 1,4 Millionen Migranten sind innerhalb kurzer Zeit als echte oder vermeintliche Flüchtlinge nach Deutschland gekommen – zu viele, wie sich nun ganz deutlich zeigt. Die Kommunen sind vielerorts völlig mit der Unterbringung der Menschen überfordert. Doch nicht nur kleine Kommunen wie Upahl oder Grevesmühlen scheinen nicht mehr zu wissen, wo man Flüchtlinge und Asylsuchende unterbringen soll. In Berlin-Wedding setzt ein Seniorenheim nun seine Bewohner vor die Tür – um Flüchtlinge aufzunehmen.
Mehr als 110 alte Menschen, teils schwerst pflegebedürftig, verlieren ihr Zuhause im Seniorenheim am Schillerpark. Bereits im vergangenen Jahr, zum 31. Dezember 2022 mussten alle Bewohner des dritten und vierten Stockwerks Johannesstift-Domizils aus- oder umziehen, um Platz für Flüchtlinge zu machen. Jetzt müssen die restlichen Senioren den Ort verlassen, der ihr letztes Zuhause sein sollte. Die teils hochbetagten Einwohner verstehen die Welt nicht mehr, berichteten Angehörige Pleiteticker.de vor Ort. „Sie begreift das gar nicht“, sagt eine Frau, die anonym bleiben möchte, über ihre Mutter, die das Pflegeheim am Schillerpark verlassen muss.

Ein 80-jähriger Mann, der grade auf dem Weg war seine Frau im Seniorenheim zu besuchen, erzählte uns, dass er völlig fassungslos gewesen sei, als er von der Kündigung der Heimplätze erfahren habe – er habe erst „vor zwei Monaten“ überhaupt davon erfahren. Auf die Frage, ob man ihm Hilfe angeboten hatte, schüttelte er nur den Kopf. „15 Jahre lebt sie dort“, sagte er über seine Frau. Sie sei schwer an Parkinson erkrankt und sehr traurig gewesen dort weg zu müssen. Der Mann sagte uns, dass er dachte seine Frau könnte ihren Lebensabend in der Einrichtung verbringen – hier am Schillerpark, in seiner Nähe.

„Die Bewohner waren sehr traurig, schockiert. Unter anderem waren da auch Bewohner, die sich am Fahrstuhl festgehalten haben, weil sie nicht wegwollten“ – das erzählte uns eine Pflegerin aus der Einrichtung, die anonym bleiben möchte. Die Bewohner hätten ihr gesagt „ich will hier nicht weg, ich fühl mich hier wohl“. Andere hätten sich gefragt, ob sie das überleben – „dieser Bewohner ist dann auch verstorben.
Seit 20 Jahren sei sie hier im Pflegeheim, habe die Menschen hier begleitet. „Die haben alles aufgebaut nach dem Krieg und werden hier jetzt rausgeschmissen“, sagte sie fassungslos. Und die Mitarbeiter fragen wir – die „können sich was neues suchen“. Sie selbst wisse nicht, ob sie nach ihrer Kündigung überhaupt noch in der Pflege arbeiten wolle. „Man hat ja über die Jahre gedacht, dass es mal ein bisschen besser wird in der Pflege, aber es wird nicht besser“.

Von einer Anwohnerin erfuhren wir exklusiv, dass bereits Flüchtlinge im Haus untergebracht seien – im dritten und vierten Stock, dort wo man die Senioren schon zum 31. Dezember 2022 gekündigt hatte. Weitere Anwohner bestätigen die Aussage der Frau – wir selbst sehen vor Ort, dass die Stockwerke bewohnt sind. Ein junger ausländischer Mann raucht auf dem Balkon, andere gucken aus dem Fenster.