
Von Larissa Fußer.
Niedergelassene Praxen für Radiologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie und Dialyse könnten ab November ihre Leistungen reduzieren, um nicht insolvent zu gehen. Das geht aus einer Pressemitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin vom Donnerstag hervor.
Die energieintensiven Betriebe leiden besonders unter den explodierenden Energiepreisen. Die KV fordert nun finanzielle Unterstützung vom Staat.
Mal eben schnell ein Röntgenbild machen, ohne stundenlang im Warteraum einer Notaufnahme sitzen zu müssen – das könnte bald nicht mehr möglich sein. In Berlin melden sich immer mehr Radiologie- und Dialysepraxen in Brandbriefen an die Kassenärztliche Vereinigung: Man könne sich die massiv steigenden Energiekosten nicht mehr lange leisten. Wenn sich nichts ändere, drohe ihnen Insolvenz und Praxisschließung. Laut der KV Berlin überlegen die betroffenen Fachgruppen nun, ihren Praxisbetrieb zu reduzieren, um weiter wirtschaftlich arbeiten zu können. Konkret sollen Geräte regelmäßig in den Standby-Modus versetzt werden, um Stromkosten zu sparen. Das klingt erstmal harmlos – es bedeutet aber: kürzere Öffnungszeiten der Praxen und damit noch längere Wartezeiten für Patienten.
Bei den Dialysepraxen ist die Lage noch dramatischer: Sie können ihren Betrieb nicht verringern, da die regelmäßige Blutwäsche für ihre Patienten überlebenswichtig ist. Ihnen droht ohne Unterstützung direkt die Praxispleite. Patienten mit Nierenversagen – zumeist sehr kranke, alte Menschen – müssten dann mehrmals die Woche den langen Weg zum Krankenhaus auf sich nehmen, um dort versorgt zu werden. Schon jetzt berichtet eine Dialysepraxis der KV, dass sie ihre Patienten auffordern müsse, Decken und Socken mitzubringen, um nicht zu frieren. Heizen können man aus Kostengründen nicht.
Der Vorstand der KV Berlin macht nun die Bundesregierung für die finanzielle Schieflage der Praxen verantwortlich. „Bis heute gibt es keine Unterstützungsangebote für die ambulante Versorgung mit Blick auf die explodierenden Energiekosten und die Kostensteigerungen durch die hohe Inflationsrate. Wir hören immer nur, dass die Krankenhäuser unterstützt werden sollen, aber die Praxen fallen wie so oft hinten runter“, heißt es in der Pressemitteilung der KV von Donnerstag.
Die Gaspreiskommission der Bundesregierung hatte erst Anfang der Woche angekündigt, Krankenhäuser durch einen Hilfefonds bei Finanzierungsproblemen aufgrund von hohen Energiepreisen unterstützen zu wollen. Von einer Finanzspritze für die Ambulante Versorgung war bisher keine Rede gewesen. Dabei ist es niedergelassenen Praxen ebenso wie Krankenhäusern nicht möglich, Preissteigerungen an ihre Patienten weiterzugeben – beide können die ärztlichen Leistungen nur über das Vergütungssystem der Krankenkassen abrechnen. Diese wiederum befinden sich selbst in massiven Geldsorgen – seit der Corona-Krise klafft in der Kasse der Gesetzlichen Krankenversicherung ein massives Loch von 17 Milliarden Euro. Eine Forderung nach erhöhten Vergütungen dürfte daher aussichtslos sein.
So bleibt den niedergelassenen Ärzten nur der Ruf nach Unterstützung vom Bund. Doch in der Bundesregierung interessiert man sich sich schon länger nicht mehr für die Belange der Ambulanten Versorgung. Erst kürzlich hat Karl Lauterbach die Neupatientenregelung abgeschafft – eine Vergütung, die es für die eh schon massiv überfüllten Arztpraxen wieder wirtschaftlich gemacht hat, neue Patienten aufzunehmen. In ganz Deutschland gehen derzeit niedergelassene Ärzte auf die Straße, um gegen diese drastische Honorarkürzung zu demonstrieren. Doch sie stoßen auf taube Ohren. Viele Ärzte haben inzwischen den Eindruck, dass Herr Lauterbach das drohende Praxissterben gar nicht verhindern will, sondern billigend in Kauf nimmt. Es bleibt den Praxen also nichts anderes übrig, sich selbst durch Maßnahmen wie die Öffnungszeiten-Verkürzung über Wasser zu halten.