
Kommentar von Ahmet Iscitürk
In Illerkirchberg hat mutmaßlich ein 27-jähriger Asylbewerber aus Eritrea ein 14-jähriges Mädchen mit einem Messer getötet und ein 13-jähriges Mädchen schwer verletzt. Es ist ein Verbrechen, das sprachlos macht, weil der Täter offenbar ohne Motiv gehandelt hat. Der Eritreer lebt seit 2016 in Deutschland, hat keine Vorstrafen und eine Aufenthaltsgenehmigung bis 2023. Laut Staatsanwaltschaft Ulm beruft sich der mutmaßliche Täter auf sein Aussageverweigerungsrecht. Es ist unklar, wie lange er schon in dem kleinen Ort wohnt und ob sich der 27-Jährige und die beiden Mädchen kannten.
Von einem tragischen Einzelfall sprach man auch 2019, als es in Illerkirchberg zu einer Gruppenvergewaltigung in einer Flüchtlingsunterkunft kam. Erhalten wir gerade die Quittung für eine gescheiterte Migrationspolitik? Unser Reporter Jan Karon war am Dienstag vor Ort, um Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl genau diese Frage zu stellen. Strobls ausweichende Antwort: „Für eine solche Straftat gibt es keine vorschnellen Erklärungen. Ich möchte noch einmal betonen: Es gibt keinerlei Erkenntnisse über eine politische oder religiöse Motivation dieser Straftat. Insofern rate ich sehr dazu, die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft abzuwarten. Voreilige Schlüsse sind fehl am Platze und unangebracht. Danke sehr.“
Eigentlich darf man dem baden-württembergischen Innenminister nicht böse sein, weil er, statt die Frage zu beantworten, einen Satz herunterrasselt, den wir im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen von Asylbewerbern schon viel zu oft gehört haben. Letztlich tut er nur das, was alle Befürworter einer unkontrollierten Einwanderung tun: Er setzt Kritik an der deutschen Migrationspolitik mit Rassismus gleich. Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.
Nur Nazis sind für Denkverbote
Unser Reporter hat das entsprechende Video bei Twitter geteilt und ein Blick in die Kommentare zeigt, dass viele Menschen bereits die Erwähnung der zwei Worte „gescheiterte Migrationspolitik“ als rassistische Polemik begreifen. Verstehen diese Leute wirklich nicht, dass man Kritik an der deutschen Einwanderungspolitik äußern kann, ohne ausländerfeindlich zu sein? Warum wird so getan, als gäbe es nur die beiden Möglichkeiten, alle Personen unkontrolliert einwandern zu lassen oder jeden einzelnen Asylsuchenden direkt an der Grenze zu erschießen?
Bei einem so wichtigen Thema muss es erlaubt sein, zu diskutieren, und zwar immer wieder, bis eine Lösung gefunden ist, mit der alle Seiten wirklich leben können. Wir müssen einen Weg finden, Fremden in Not zu helfen und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir uns keine tickenden Zeitbomben ins Land holen. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass die Migrationspolitik der letzten Jahre gescheitert ist.
Meine Mutter muss mit Bürokratie kämpfen, Asylbewerber ohne Papiere haben es oft leicht
Ich selbst bin ein Kind türkischer Einwanderer, und meine Mutter hat vierzig Jahre lang in diesem Land hart gearbeitet, bevor sie vor einigen Jahren als Rentnerin in ihr Heimatland zurückkehrte. Seit 18 Monaten versuchen wir vergeblich, eine Daueraufenthaltsgenehmigung für sie zu beantragen, damit sie uns besuchen und ihre Enkelkinder in die Arme schließen kann, ohne jedes Mal ein Visum beantragen zu müssen. Hätte sie ihren Pass weggeworfen und um Asyl gebeten, wäre die Sache wahrscheinlich längst erledigt gewesen.
Ahmet Iscitürk wurde 1972 in Nürnberg geboren. Der Deutschtürke hat als Autor und Gagschreiber für Print, Web, Radio, Film und Fernsehen gearbeitet und hält die Meinungsfreiheit für eines der wichtigsten Grundrechte unserer Demokratie.