Eine Afroamerikanische Soziologieprofessorin hat eine bahnbrechende Theorie: Wer sich die Haare blondiert, versucht sich einen sozialen Status anzueignen, dem rassistisches Denken zugrunde liegt.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leser, liebe Ethikkommission. Ich muss hier und heute ein Geständnis vor Ihnen und der Welt ablegen. Es fällt mir wirklich nicht leicht, doch mein Gewissen zwingt mich die Wahrheit auszusprechen: Ich betreibe kulturelle Aneignung – und das schon sehr lange. Ich habe zwar nie Dreadlocks getragen, bin mit einem Poncho durch die Gegend gelaufen oder habe mir angemaßt Salsa zu tanzen – doch ich habe etwas wesentlich Schlimmeres getan. Ich habe mir die Haare blondiert.
Warum genau das jetzt schlimm ist, fragen Sie sich? Dann hören Sie gut zu und werfen sie ihre patriarchalen, weißen Gedankenkostüme einen Moment lang aus dem Fenster: Sich die Haare zu blondieren ist der Versuch, sich einen sozialen Status anzueignen, dem rassistisches Denken zugrunde liegt. Ich und Millionen andere Frauen wollten von der Gesellschaft endlich auch als das angesehen werden, was natürlichen Blondinen dank Kolonialismus und weißer Vorherrschaft zugesprochen wird: „Genetisch überlegen“ zu sein.
Diese bahnbrechende Erkenntnis stammt von der afroamerikanischen Soziologieprofessorin und Autorin Tressie McMillan Cottom, die sich schon seit Jahren mit den Priviliegien der weißen Mehrheitsgesellschaft beschäftigt. Als sie dank einer Lungenentzündung ans Bett gefesselt war, versuchte sie sich mit dem Konsum von TikTok-Videos bei Laune zu halten: Dort entdeckte sie das Video einer jungen, weißen Amerikanerin mit dunklem Haaransatz, die als Reaktion auf den Vorwurf, dass sie brünett sei, ihre Mutter nach ihrer Haarfarbe fragte. Die sagte nur: „Du wurdest blond geboren“.


In diesem Moment wurde McMillan Cottom, wie sie in einem Artikel in der New York Times beschrieb, nach mehrjähriger Arbeit rund um dem Themenbereich „blonde as a racial signifier“ alles klar: Die Menschen möchten sich zwanghaft einreden, eine natürliche Blondine zu sein – auch solche die später braune Haare haben. Natürliches Blond sei eine Auszeichnung und verleihe einer Frau Ansehen und Macht. Die Trauer, die „genetische Lotterie“ nicht „gewonnen“ zu haben, sei laut der Soziologieprofessorin global.
Vielleicht habe ich mir also nur deshalb nie die Haare komplett blond gefärbt, weil ich in der „genetischen Lotterie“ nur ein halbes Los gezogen. Ich war als Kind blond und rutschte dann schnell ins „Straßenköterblond“ ab – Sie wissen schon: meine Haare waren nicht blond, nicht braun, sondern irgendwas dazwischen. Ich musste also nur die halbe Trauer bewältigen und so auch nur den halben Kopf mit Strähnchen färben.
Trotzdem: Die Erkenntnis, rassistische Denkweisen so sehr verinnerlicht zu haben, dass ich mir einfach so die Haare färbte, schmerzt. Das einzige was mich tröstet, ist die Tatsache, dass ich mich zusammen mit Ikonen wie Marilyn Monroe, Jane Fonda und Brigitte Bardot in den Kreis der anonymen Fake-Blondinen setzen könnte – Beyonce dürfte natürlich auch kommen, immerhin müsste sie nach McMillan Cottoms Theorien Opfer und Täter zugleich sein.
Aber es kommt sogar noch besser: Liebe Pamela Anderson, liebe Paris Hilton, wir müssen uns nie wieder anhören das Blondinen blöd sind! Egal was andere sagen: Wir sind alle nur weitere Opfer des Postkolonialismus.

